Von Ministerin Tack versetzt
Pressemitteilung der BI Kontra Industrieschwein Haßleben, BUND Brandenburg und Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Leider kann unser lange vorbereitetes Treffen mit der Brandenburger Umweltministerin Anita Tack, welches für Donnerstag, den 15.03.2012 um 13:00 Uhr in Potsdam von ihr verbindlich zugesagt war, nicht stattfinden, da die Ministerin zu unserem großen Bedauern einen Tag vorher abgesagt hat.
Die Entscheidung zur Schweinemastanlage in Haßleben steht indessen kurz bevor, weswegen es geplant war, dass wir ihr als zuständiger Fachministerin unsere Sichtweise darlegen, die aus vielerlei Gründen keine Genehmigung zulässt. In diesem Zusammenhang hätten wir ihr einen offenen Brief übergeben, den wir Ihnen an dieser Stelle zur Verfügung stellen.
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Ministerin Tack,
Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar hätte einen Hund.
Der Hund würde in einem Käfig von der Größe einer Kartoffelkiste leben.
Die steht in der Kleiderkammer, wo kein Sonnenstrahl hineinkommt.
Der Hund würde den Käfig nicht verlassen dürfen und stünde in seinen Exkrementen.
Auf Nachfrage würde der Nachbar mitteilen, dass er den Hund bald schlachten lassen würde, um ihn dann zu essen.
Was würden Sie tun ?
Sicherlich würden Sie – hoffentlich – den Tierschutz oder die Polizei verständigen.
Ein solches Leben ist für sogenannte Nutztiere Alltag.
(Christine Großmann)
...zum Beispiel für die achtundsechzigtausend Schweine, denen in der geplanten Schweinemastanlage Haßleben ein solches Leben als designierte Schnitzel beschieden ist. Vom Haustier, welches man streichelt, unterscheidet sie ihre Etikettierung als »Nutztier«, was dem Menschen gesetzlich erlaubt, sie als Ware zu behandeln, obwohl sie genau so neugierig, lernfähig, sensibel und gesellig sind wie ein Hund. Dass Hunderttausende solcher Geschöpfe dazu verdammt sind, in der Dunkelhaft enger Boxen auf ihren Tod zu warten, kann man wohl nur aushalten, wenn man diesen Gedanken nicht zu Ende denkt oder ihn verdrängt. Damit diese Verdrängung gut funktionieren kann, wird das Elend der Tiere vor den Augen der Verbraucher mit allen Mitteln verborgen. Und es funktioniert bestens: was die Menschen zu sehen bekommen, ist nur noch »Essware«, appetitlich dekoriert mit Petersilie und billiger als ein Schokoriegel: unser täglich Schnitzel. Wir machen hiermit sichtbar, woher diese »Ware« kommt. Sehen Sie hin und fragen Sie sich, ob sie diese Bilder ertragen können. Ich kann es ganz schlecht, und deswegen kämpfe ich. Nennen Sie mir einen Grund, warum eine solche Tierquälerei gerechtfertigt ist, aber nicht »Wachstum und Beschäftigung«. Wachsen würde hier nur das Konto von Herrn van Gennip, und beschäftigt würden ca. 40 Arbeiter zu Dumpinglöhnen. Ruiniert dagegen wird die Natur, und essen wollen wir solches Fleisch ja schon lange nicht mehr, weswegen wir es nach China exportieren.
Warum tun wir das ?
Ich appelliere an Sie: beenden Sie diese himmelschreienden Zustände in der Behandlung von Tieren. Hier wird nur einer verdienen, und das ist Herr van Gennip - die Verlierer werden wir alle sein. Nachts Tiertransporte zum Schachthof, tagsüber Futterlastwagen über die Dörfer. Unsere Äcker mit der Gülle von 68 000 Tieren verätzt. Die Wälder erkrankt von zu viel Stickstoff, die ganze landestypische Flora und Fauna von der Gülle gekillt. Seen und Gewässer umgekippt, das Grundwasser kontaminiert. Menschen, die an den Atemwegen erkranken so wie in Haßleben vor 25 Jahren, aber der Mensch vergisst schnell. Man applaudiert dem vermeintlichen Retter, der gerade dabei ist, einem den Hals umzudrehen, denn verdient wird kaum mehr als mit Hartz IV - von wegen blühende Landschaften. »Ferienland Uckermark« können wir allesamt vergessen, in Cloppenburg würden Sie auch nicht Urlaub machen. Herr von Gennip indessen reibt sich die Hände: was geht ihn das alles an, für kommende Scherereien hat man seine Anwälte.
Verhindern Sie, dass jemand die Erlaubnis erhält, mit Tierquälerei solche Geschäfte zu machen und dieses ganze Unglück in Gang zu setzen. Setzen Sie sich lieber ein für das Modell »Bioland Uckermark«, womit Sie nicht nur den Uckermärkern, sondern auch den Berlinern einen großen Gefallen tun würden, wo ein wachsender Bedarf nach lokalen und saisonalen Bio-Produkten herrscht und nicht nach italienischer Ökoware. Land haben wir genug: warum initiieren Sie das nicht?
Ich bitte Sie also als Ministerin inständig: beenden Sie diesen Irrsinn und sprechen Sie – endlich – ein Machtwort!
Mit freundlichen Grüßen
Sybilla Keitel, BI Kontraindustrieschwein Haßleben , 15. März 2012
Acht Gründe, die Anlage abzulehnen
Es gibt viele Gründe (Tierschutz, Umweltschutz, Erhalt bäuerlicher Landwirtschaft), um eine Massentierhaltung, wie sie in Haßleben vorgesehen ist, abzulehnen.
Hier seien nur die rechtlich relevanten aufgeführt, von denen jeder allein ausreicht, um die Schweinemastanlage zu verbieten:
- Das hoch geschützte Moor »Grenzbruch« direkt neben der Anlage würde zerstört.
- Weitere FFH-Gebiete würden geschädigt.
- Nahe gelegene Wälder würden durch Ammoniak-Ausdünstungen ebenfalls geschädigt.
- Diverse Gewässer und Grundwasser würden durch Gülle-Ausbringung massiv verunreinigt.
- Anwohner würden durch (resistente) Keime gefährdet.
- Ein wirksames Brandschutzkonzept liegt nicht vor, sodass im Brandfall tausende Tiere verbrennen würden.
- Die europäische Schweinehaltungsrichtlinie würde nicht eingehalten: Die Tiere hätten niemals Tageslicht, kein geeignetes Beschäftigungsmaterial und kein Stroh-Einstreu.
- Ein Raumordnungsverfahren wurde nicht durchgeführt.
Gert Müller, BI Kontraindustrieschwein Haßleben , 15. März 2012
Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt bedankt sich herzlich bei den vielen Aktiven, die vor Ort helfen wollten! Wir hoffen, dass unsere E-Mail bezüglich der Absage von Ministerin Tack euch noch rechtzeitig erreicht hat!
Nachtrag: Nach dem Versand der Pressemitteilung und einer ersten Reaktion der Medien ließ Ministerin Tack unser Bündnis wissen, dass sie zum ursprünglich vereinbarten Termin nun doch Zeit für uns habe. So kurzfristig wieder alle Aktiven zu mobilisieren, ist aber völlig unmöglich. Wir hoffen auf einen baldigen Ersatztermin.