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1000 Professoren verärgern die Agrarlobby

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E-Mails mit der Agrarindustrie © Eray Haciosmanoglu – fotolia.com

Unser Berliner Appell, den 1000 Professoren unterstützen, hat uns viel Zustimmung gebracht. Weniger begeistert ist die Agrarlobby. Die Mails der Redakteurin einer Agrar-Zeitung lassen tief blicken. Lesen Sie selbst:

29.06.2011

Liebe Albert-Schweitzer-Stiftung,

leider wird einem auf Ihrer Internetseite zum Berliner Appell nur die »Wahl« gelassen, den Appell zu unterschreiben oder nicht, es bleibt kein Platz für Kommentare. Hier ist trotzdem einer:

Die 1000 Professoren sind alle Vegetarier und wenn sie es nicht sind, haben sie genug Geld, um nur biologisch aufgewachsene und getötete Tiere zu essen, weil sie sich 100 % sicher sind, dass es den Tieren besser geht nur wegen eines Etikettes bevor sie an den Haken kommen. Und die 1 000 Professoren waren bestimmt schon einmal zusammen mit einem Landwirt in einem Massentierhaltungsstall und haben sich angeschaut, wogegen sie da eigentlich sind. Und die 1 000 Professoren waren auch noch nie in asiatischen Restaurants essen, weil sie wissen, dass die Enten, die dort verbraten werden, direkt aus China kommen, während unsere heimische Entenproduktion hier z. B. in Brandenburg eingebrochen ist. Ja, das verbietet denen keiner, sich die Enten aus China zu holen, komisch nicht? Unsere Landwirte haben Enten leider zu teuer produziert und das nicht, weil sie den Enten etwa einen See zum Baden angeboten haben.

Und die Damen und Herren Professoren wissen natürlich auch, denn sie sind ja kluge Leute, dass wir ungefähr die gesamte Fläche Mecklenburg-Vorpommerns bräuchten, um allein unseren Bedarf an Eiern zu decken, sollten die Hennen alle aus Haltungen nach deren Vorstellungen mit Auslauf kommen. Mal davon abgesehen, dass vor Ort keiner mehr Ställe will und schon gar nicht mit Auslauf.

Finden es die Damen und Herren Professoren eigentlich gut, wenn ich in ihre Fachgebiete reinreden würde, so massiv wie sie es tun, obwohl ich mich da überhaupt nicht auskenne? Ein Schutzgesetz vor allem für die heimische Landwirtschaft samt Tierhaltung zu verlangen, die ja nun mal dazu gehört, das wäre doch mal wirklich klug von 1000 Professoren. Sonst kommen auch die Hähnchen in heimischen Kühltruhen bald aus Südamerika. Die drängen nämlich da massiv in unseren Markt.

Danke für Anregungen für einen nächsten Kommentar in unserer Zeitung, liebe Damen und Herren Professoren und liebe Albert-Schweitzer-Stiftung. Lassen Sie es sich weiterhin gut gehen mit bezahlbaren Lebensmitteln. Ist ja egal woher sie kommen.

Frohes Schaffen weiterhin,

Name entfernt

Unsere Antwort

29.06.2011

Liebe Frau Name entfernt,

in einem stimme ich Ihnen zu: Es ist tatsächlich ein Problem, dass Produkte aus besonders tierquälerischer Haltung in die EU und nach Deutschland importiert werden dürfen. Gerne unterstützen wir alle Bemühungen, diesbezüglich ein Importverbot zu erwirken und/oder den Handel und andere Abnehmer zu überzeugen, diese Produkte nicht zu listen, und wir betreiben dies auch selbst aktiv (siehe z. B. www.kaefigfrei.de).

Gleichzeitig muss klar sein, dass Tierschutzstandards nicht der globalen Wettbewerbssituation zum Opfer fallen dürfen. Wir führen hier ja auch keine Kinderarbeit ein, nur weil in anderen Ländern durch Kinderarbeit unfaire Wettbewerbsvorteile entstehen. Ebenso verhält es sich auf allen anderen Gebieten: Die Orientierung an den jeweils weltweit niedrigsten Erzeugerpreisen würde zu einem »race to the bottom« führen: Die global niedrigsten ethischen Standards würden sich durchsetzen; sozialer Fortschritt wäre verunmöglicht.

Über die Zusendung Ihres Kommentars in Ihrer nächsten Zeitung würde ich mich freuen.

Viele Grüße,

Mahi Klosterhalfen

Darauf wieder die Redakteurin

01.07.2011

Ja, ja, Herr Klosterhalfen, edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Aber das ist er nur, wenn er Menschenkinder und Kinderarbeit nicht mit Tieren vergleicht, deren Fleisch und deren Produkte wir essen. Was für ein blödes Argument. Da haben Sie ja richtig ausgeholt!

Die Frage bleibt: Waren Sie und die Herren und Damen Professoren eigentlich schon einmal in einer großen Anlage? Wissen Sie wirklich, was Schweine und Hühner und Kühe brauchen? Und wenn, dann woher? Von Landwirten, die Ihnen das sagen können, weil sie sich tagaus, tagein mit dem Vieh beschäftigen?

Und wussten Sie eigentlich, dass der größte Biolandbetrieb 25 000 Puten hat und zigtausende Hähnchen?

Mir kommt es so vor, als wüssten Sie nicht wirklich, wogegen Sie eigentlich sind und als kennen Sie sich nicht wirklich mit Landwirtschaft (Land-Wirtschaft) aus, und das regt mich auf. Und erzählen Sie mal Entwicklungsländern etwas von Importverboten in WTO-Verhandlungen!

So, und jetzt habe ich keine Zeit mehr für Sie und diesen weltfremden Appell von 1000 Professoren, denen es, auch dank der europäischen Tierhalter, richtig gut geht. Und ich hoffe, ich halte mich dran.

Mit freundlichen Grüßen,

Name entfernt

Unsere letzte Antwort

02.07.2011

Liebe Frau Name entfernt,

ich verstehe Sie richtig: Weil »wir« Tiere essen sind Vergleiche zwischen Mensch und Tier unzulässig? Ich fürchte, da muss ich weiter ausholen. Es ist wissenschaftlich außer Streit, dass Tiere (beschränken wir uns auf die Tiere, von denen Sie meinen, sie essen zu müssen bzw. zu dürfen) ähnlich wie Menschen empfinden (Angst, Schrecken, Schmerz). Das liegt am übereinstimmenden Stammhirn, das, vereinfacht ausgedrückt, für die Gefühle verantwortlich ist. Seit Jahrhunderten haben nun intelligente Menschen die Frage, ob man Lebewesen mit ähnlichen Gefühlen, so nutzen darf, wie das immer noch mehrheitlich geschieht, entschieden verneint - Leonardo da Vinci, Leo Tolstoi, Sigmund Freud, Bertrand Russell, Konrad Lorenz, Mahatma Gandhi, Albert Einstein und Albert Schweitzer, um nur ein paar zu nennen.

Weil wir und die 1000 Professoren möglicherweise noch nicht in »einer großen Anlage« waren, dürfen wir in Tierschutzfragen nicht mitreden? Nur die Leute, die die letzten Jahrzehnte beispielsweise Hunderte von Millionen Legehennen in eigener Batteriehaltung verschlissen haben sind kompetent? Wir scherzen, gell? Im Ernst: Was soll man denn bitte lernen können in einer solchen Anlage? Wie man Tiere nutzenoptimiert hält und dazu deren Verhaltensbedürfnisse häufig bis zur Grenze der biologischen Machbarkeit unterdrückt? Oder kann man dort sehen, dass Schweine geruchsempfindliche Tiere sind (Trüffelschwein!), die unter naturnahen Bedingungen eine Distanz von wenigstens 10 Metern zwischen Kot- und Ruheplatz präferieren? Kann man dort sehen, wie die sich fühlen, wenn sie lebenslang über ihrer eigenen Scheiße auf weniger als einem qm Spaltenboden je Tier leben dürfen? Oder kann man sich ein paar Hundert Muttersauen im Kastenstand ansehen? Sie verstehen nun sicher, dass uns »große«, aber auch »kleine« Anlagen eher weniger interessieren. Mehr interessieren uns die Leidensfähigkeit sowie die beeindruckenden Eigenheiten und Fähigkeiten von Tieren, wenn sie denn eine Chance haben, sie zu entwickeln, vgl. Anlage, Beitrag von Jeremy Rifkin in der SZ (Süddeutsche Zeitung).

Ganz ehrlich, Frau Name entfernt, versuchen Sie mit Ihrem Erbe zu brechen. Ihre Auffassungen sind selbst derzeit schon nicht mehrheitsfähig und werden sich - hoffentlich recht bald - verlieren, wie die Vorstellung, nur Weiße verdienten Respekt oder nur Männer hätten Rechte.

Gerne höre ich von Ihren Fortschritten. Vielleicht haben Sie ja ein Haustier und damit Anlass über den zwischenmenschlichen Bereich hinaus über Recht und Unrecht nach zu denken? Toll, das wird schon noch.

Die Zeit ist knapp, wie Sie richtig feststellen, daher nur ganz kurz: Eventuell würden wir Ihre denkwürdigen Zeilen gerne publizieren. Habe ich Ihre Einwilligung?

Ich danke Ihnen bereits jetzt und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Mahi Klosterhalfen

Da wir die Zustimmung nicht erhalten haben, veröffentlichen wir den Mailverkehr hier anonymisiert.

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