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Bekenntnisse eines Tierschützers

Mahi Klosterhalfen - Porträtfoto
Mahi Klosterhalfen © Florian Bolk

Als Tierfreund habe ich mich schon immer bezeichnet. Schon als Kind hatte ich eine Katze, die ich abgöttisch geliebt habe. Wenn ich im Fernsehen gesehen habe, wie ein Löwe eine Gazelle riss, war ich empört, dass die Kameraleute nicht eingriffen. Meine Katze fing einmal eine Maus. Da war ich sauer auf die Katze und traurig um die Maus. Meine Eltern erklärten mir dann immer, dass die Natur grausam sein kann. Damit müsse ich leben.

Dass ich damals viel grausamer war als Tiere, die einfach nur überleben wollten oder ihren Trieben folgten, war mir nicht bewusst. Es wurde mir sogar 25 Jahre lang nicht klar. 25 Jahre. Ein Vierteljahrhundert.

25 Jahre lang habe ich durch mein Kaufverhalten in Auftrag gegeben, dass Tiere in ihren Fäkalien leben müssen. Dass sie davon Entzündungen und Verätzungen bekommen. Dass sie von den Ammoniakdämpfen eitrige Lungen bekommen. Dass sie so überzüchtet werden, dass ihre Skelette die schnell wachsenden Fleischmassen nicht mehr tragen können. Dass deshalb sogar ihre Herzen versagen können. Dass sie als Kinder geschlachtet werden, die in Erwachsenenkörpern stecken.

25 Jahre lang habe ich mitfinanziert, dass Tiere dicht an dicht in Ställe gedrängt werden. So dicht, dass man den Boden kaum noch sehen kann. Dass die Tiere aufgrund der Enge im Stall kaum schlafen können, weil jede Bewegung dazu führt, dass mehrere andere Tiere weggedrückt werden. Ein Masthuhn kommt selten dazu, für länger als eine Minute zu ruhen. So etwas wird gemessen.

Ein Vierteljahrhundert lang habe ich zugelassen, dass Puten und Legehennen Teile ihrer Schnäbel abgetrennt werden. Dass Kälbern die Hörner ausgebrannt werden. Dass man Ferkeln die Schwänze abschneidet und ihnen die Eckzähne abschleift. Alles ohne Betäubung. Wissenschaftler sagen, dass ein Vogel, dem man einen Teil seines Schnabels abtrennt, so ist wie ein Mensch, dem man einen Teil seines Kiefers entfernt. Das alles wird gemacht, damit die Tiere sich nicht gegenseitig verletzen und töten. Trotzdem kratzen und beißen sie sich manchmal blutig, und sie reißen sich gegenseitig die Federn raus. Vor Langeweile. Und weil man ihnen das falsche Futter gibt. Aus Kostengründen.

25 Jahre lang habe ich durch meinen Konsum dazu beigetragen, dass jedes Jahr hunderttausende Tiere bei der Schlachtung nicht richtig betäubt werden. Dass viele Schweine im heißen Wasserbad ertrinken und dass die Schlachtindustrie kein Mitleid für diese Tiere hat, sondern nur verachtende Namen. »Matrosen«. Wirklich. »Matrosen«.

25 Jahre lang war auch ich daran schuld, dass viele Hühner und Puten bei vollem Bewusstsein miterleben, wie ihnen alle Federn aus dem Leib gerissen werden. Dass Rinder manchmal nicht richtig betäubt sind, wenn damit begonnen wird, sie zu zerlegen.

Ich habe gedacht, Bio sei die Lösung. Aber dann sah ich Biohennen ohne Federn. Dann erfuhr ich, dass auch in der Biohaltung die Brüder der Legehennen direkt nach dem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden. Dass auch Biokühe künstlich geschwängert werden, damit sie Milch geben. Dass auch ihnen die Kälber entrissen werden. Dass auch Biokühe und Biohennen geschlachtet werden, sobald sie nicht mehr die gewünschte Leistung bringen. Dass es keinen Unterschied gibt zwischen konventioneller Schlachtung und der Schlachtung für Produkte mit dem staatlichen Biosiegel.

Nach einem Vierteljahrhundert wollte ich für all das nicht mehr mitverantwortlich sein. Ich hab aufgehört, es in Auftrag zu geben, es zu finanzieren. Ich habe gemerkt: Selbst wenn ich Fleisch mag, stehen meine kurzen Gaumenkitzel in keinem Verhältnis zu den unbeschreiblichen Leiden der Tiere. Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Zum Autor: Mahi Klosterhalfen ist seit dem Jahr 2008 geschäftsführender Vorstand der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. Im Jahr 2005 probierte er die vegetarische Ernährung aus, zwei Monate später entschied er sich für die vegane Lebensweise. Wer sich für die bislang tierfreundlichste Ernährungsform interessiert, findet dazu in der Broschüre »Selbst wenn Sie Fleisch mögen« sowie auf der gleichnamigen Webseite grundlegenden Informationen.

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