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Ferkelkastration vor der SPD-Parteizentrale

© CC BY 4.0 - Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

 

Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt protestierte am Dienstagvormittag vor der SPD-Parteizentrale in Berlin gegen einen Gesetzentwurf von SPD und Union. Dieser gestattet es Landwirten, weitere zwei Jahre männliche Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. Die Fraktionsspitzen der großen Koalition hatten sich bereits am Freitag voriger Woche auf einen gemeinsamen Text geeinigt. Bis zum Dienstagabend wollte die SPD-Bundestagsfraktion über den Entwurf entscheiden.

Mit den Konterfeis von Angela Merkel, Andrea Nahles, Julia Klöckner und Joachim Rukwied nahmen die Tierschützer vor dem Willy-Brandt-Haus die symbolische Kastration eines Ferkels vor, das für die Haltung der SPD beim Tierschutz steht. Wie auch andere Tierschutzorganisationen wirft die Albert Schweitzer Stiftung der SPD vor, sich vor den Karren von Agrar-Lobby und Koalitionspartnern spannen zu lassen.

»Jetzt ist es an den Abgeordneten der SPD, mit einem klaren Nein im Bundestag diese völlig ungerechtfertigte Tierquälerei zu beenden«, sagt Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stiftung und Sprecher des Bündnisses für Tierschutzpolitik. »Mit ihrer Stimme können sie zeigen, dass sie den gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierschutz nicht ignorieren.«

Am Freitag bringen CDU/CSU und SPD ihren Gesetzentwurf als Fraktionsinitiative in den Bundestag ein. Ende November soll der Bundestag dann über die endgültige Fassung abstimmen. Ziel der großen Koalition ist es, die zum Jahresende auslaufende Frist bis Ende 2020 zu verlängern.

In einem am Montag verschickten Brief an alle SPD-Bundestagsabgeordneten appelliert die Albert Schweitzer Stiftung zusammen mit acht anderen Tier-, Verbraucher- und Umweltschutzverbänden an Mut und Mitgefühl der Parlamentarier. Auch im Interesse der Gesellschaft sollten sie mit einem klaren Nein gegen die geplante Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration stimmen.

Aus Sicht mehrerer Verbände der Tierärzteschaft sowie weiterer Fachleute gibt es bereits mit der Ebermast und der Immunokastration praktikable Alternativen, die auch wirtschaftlich der betäubungslosen Kastration ebenbürtig oder sogar überlegen sind. Ferkel weiterhin ohne Betäubung zu kastrieren, verstößt nach Auffassung von Rechtsexperten gegen das Staatsziel Tierschutz und ist damit verfassungswidrig.

Hintergrund

Die betäubungslose Ferkelkastration ist ein schmerzvoller Eingriff in die Unversehrtheit der Tiere. Der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration wurde bereits 2013 im Tierschutzgesetz beschlossen. Das offizielle Ende ist für den 31. Dezember 2018 vorgesehen. Der Versuch einzelner Bundesländer, diese Frist zu verlängern, ist im Bundesrat gescheitert. Nun will die große Koalition die Verlängerung der Frist kurz vor deren Ablauf doch noch über eine Fraktionsinitiative erreichen.

Nachtrag (9. November 2018): Der weitere Ablauf

Nachdem am Dienstag die Fraktionen von CDU/CSU und SPD den Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes beschlossen hatten, hat am Freitag der Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf der großen Koalition beraten. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD haben dazu jeweils einen eigenen Antrag eingebracht. In ihrem Antrag fordern die Grünen, unter anderem darauf hinzuwirken, dass künftig nur nach deutschen Tierschutzstandards kastrierte Schweine in den deutschen Handel gelangen. Hierfür wären Gespräche mit der Qualität und Sicherheit GmbH (QS) erforderlich, mit deren Prüfzeichen praktisch sämtliches deutsches Schweinefleisch hierzulande vermarktet wird. Die AfD hingegen will die Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration ermöglichen. Vor dieser Methode warnen allerdings etliche Verbände der Tierärzteschaft und des Tierschutzes: Sie verursacht ebenfalls erheblich Stress und Schmerzen.

Im Anschluss an die Beratung am Freitag im Bundestag gehen die Gesetzesvorlagen an den Agrarausschuss, der eine Beschlussempfehlung erstellt. Zu der Gesetzesänderung hat der Ausschuss jedoch zunächst eine öffentliche Anhörung beschlossen, da noch verfassungsrechtliche sowie tierschutzfachliche Zweifel bestehen.

Geplant ist, dass der Bundestag über die Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration am 29. November entscheidet. Bei Zustimmung zur Gesetzesänderung könnte das Gesetz am 14. Dezember den Bundesrat passieren und in Kraft treten.

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