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Verbot des Kükentötens in NRW

Eintagsküken
Eintagsküken © small frog – iStock

Wie das Landwirtschaftsministerium NRW gestern bekannt gegeben hat, verhindert es das Töten männlicher Küken per Erlass. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt fordert alle weiteren Bundesländer auf, ebenfalls aktiv zu werden und sagt dem Land NRW ihre juristische Unterstützung zu.

Auf jede angehende Legehenne kommt statistisch gesehen ein männliches Küken. Da sich die speziell gezüchteten Legerassen für die Mast nicht eignen, sind die männlichen Küken für die Agrarindustrie wertlos. Die Küken werden daher direkt nach dem Schlüpfen mit CO2 erstickt oder lebendig in große Schredder geworfen. Bundesweit kamen so allein im Jahr 2012 46,6 Millionen Küken ums Leben.

Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt (ASS) setzt sich seit Jahren gegen diese aus ihrer Sicht ethisch verwerfliche und illegale Praxis ein. Laut Tierschutzgesetz dürfen Tiere nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden. Die wirtschaftliche Nutzlosigkeit eines Tiers als vernünftigen Grund zu sehen, kann nicht haltbar sein. Genau so argumentiert jetzt auch das Landwirtschaftsministerium in NRW und beruft sich dabei auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Münster, in dessen Zuge das Töten der sogenannten »Eintagsküken« als strafbar einstuft wurde. Das Landwirtschaftsministerium hat den Behörden deshalb einen Erlass zukommen lassen, nach dem das Töten der Küken zu untersagen ist.

Die ASS geht davon aus, dass auch andere Staatsanwaltschaften der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Münster folgen und die Tötung der männlichen Küken als Straftat ansehen werden. Nach Bekanntwerden dieser Auffassung kann sich künftig keiner der Tierhalter mehr darauf berufen, dass sein Irrtum über die Strafbarkeit solchen Tuns unverschuldet sei. Denn unverschuldet ist ein Verbotsirrtum nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dann, wenn der Täter trotz gehöriger Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Verhaltens nicht zu gewinnen vermag. Das setzt u. a. voraus, dass er seine Unkenntnis erforderlichenfalls durch Einholung von Rat bei einer sachkundigen und vertrauenswürdigen Person oder Stelle zu beseitigen versucht hat. Da kein Zweifel daran bestehen kann, dass alle Inhaber und Mitarbeiter der Geflügelproduktionsbetriebe von ihren Berufsverbänden über die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft in Münster informiert werden, die zudem über die Medien verbreitet wird, ist die Berufung auf einen unverschuldeten Verbotsirrtum künftig aussichtslos.

Unabhängig von der Rolle der Staatsanwaltschaften begrüßt die ASS die Entscheidung des NRW-Ministeriums und fordert alle weiteren Landesregierungen auf, ebenfalls tätig zu werden. Weiterhin rechnet die ASS damit, dass die Geflügelindustrie gegen die nun folgenden Verbote klagen wird. Die ASS bietet dem Land NRW ihre juristische Unterstützung an. Schon in den 1990er-Jahren kam es zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit, als die Landesregierung NRW den inzwischen verstorbenen Gründer der ASS, Wolfgang Schindler, mit einer Prozessvollmacht ausstattete, um vor dem Bundesverfassungsgericht das bis heute legendäre »Legehennenurteil« zu erwirken, das zum bundesweiten Verbot von Käfigbatterien führte.

Völlig unklar ist noch, wie die Brütereien mit den nun folgenden Verboten umgehen. Mahi Klosterhalfen, geschäftsführender Vorstand der ASS warnt: »Es könnte dazu kommen, dass die Brütereien die männlichen Küken per Tiertransport in benachbarte Bundesländer bringen und sie dort töten lassen. Deshalb ist es unabhängig vom Tätigwerden der Staatsanwaltschaften entscheidend, dass alle Bundesländer an einem Strang ziehen.«

Mahi Klosterhalfen kommentiert abschließend: »Erstmals zeichnet sich eine echte Chance ab, das Kükentöten zu beenden. Jetzt wird sich das weitere Schicksal der Küken unter anderem vor Gericht entscheiden. Mittelfristig wird die Geflügelindustrie sicherlich ihre Bemühungen verschärfen, das Geschlecht der Küken schon im Ei zu erkennen, um den öffentlichen, politischen und juristischen Druck zu reduzieren.«

Nachtrag (28.09.13): Diskussion zum Kükentöten und Wirkung des Erlasses

Auf unserer Facebook-Seite wird ausführlich über die Vor- und Nachteile des Erlasses diskutiert. Kritisiert wird vor allem, dass die Brütereien in NRW die Küken in andere Bundesländer oder ins Ausland bringen könnten, um sie dort zu töten. Nach einer ersten juristischen Prüfung halten wir es für wahrscheinlich, dass man gegen Transporte in andere Bundesländer juristisch gut vorgehen kann. Bei Transporten ins Ausland kommen komplizierte Sachverhalte ins Spiel, die sehr ausgiebig geprüft werden müssen.

Es ist daher noch zu früh, um die Wirkung des Erlasses einschätzen zu können. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass ein Stein ins Rollen gebracht wurde. Die nächsten Wochen und Monate dürften spannend werden. Schon jetzt steht fest, dass durch die öffentliche Debatte mehr Menschen erfahren, was mit den Brüdern der Legehennen normalerweise geschieht. Mehr Informationen finden Sie auf www.wegwerfküken.de.

Nachtrag (05.10.13): Kein Sofortvollzug

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass das Landwirtschaftsministerium NRW keinen Sofortvollzug anordnet. Stattdessen wird es eine einjährige Übergangsfrist geben.

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