Urteil zum Kükentöten: Erfolg für den Tierschutz
Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass wirtschaftliche Interessen allein nicht das routinemäßige Töten von männlichen Eintagsküken in der Legehennenzucht rechtfertigen. In ihrer Urteilsbegründung stellten die Richter fest, dass wirtschaftliche Interessen per se kein »vernünftiger Grund« laut Tierschutzgesetz sind.
»Wir sind erleichtert, dass das Bundesverwaltungsgericht den Tierschutz über rein wirtschaftliche Interessen stellt«, kommentiert Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. »Die Revision wurde zwar abgewiesen und das Kükentöten wird für eine Übergangszeit weitergehen. Doch in der entscheidenden Frage wurde im Sinne des Tierschutzes entschieden: wirtschaftliche ›Wertlosigkeit‹ ist kein vernünftiger Grund, um einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Zudem hat das Gericht festgehalten, dass sich aus dem Tierschutzgesetz ein Lebensschutz ableitet. Jetzt ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner unter Druck, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das Kükentöten bis 2020 zu beenden, auch wirklich umzusetzen.«
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird sich auch auf andere Gerichtsverfahren auswirken. So hatte beispielsweise das Landgericht Heilbronn geurteilt, dass die Massentierhaltung per se sozialadäquat und damit auch vernünftig sei. »Dieses aus Tierschutzsicht verheerende Urteil ist seit heute vom Tisch«, freut sich Mahi Klosterhalfen.
Die Albert Schweitzer Stiftung demonstrierte heute Morgen mit einem symbolischen Kükenschreddern vor dem Gerichtsgebäude. Bilder dazu finden Sie hier.
Zum Hintergrund: Laut Tierschutzgesetz darf niemand einem Wirbeltier »ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen« oder es gar töten. Was genau als vernünftig einzustufen ist, war bis heute offen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat den vernünftigen Grund verneint und deshalb im Jahr 2013 die zuständigen Veterinärämter angewiesen, das Töten männlicher Eintagsküken durch Ordnungsverfügung zu untersagen. Dagegen hatten zwei Brütereien geklagt. In den Gerichtsverfahren stand zur Debatte, ob ökonomische Gründe allein die Tötung der Küken rechtfertigen, also als »vernünftiger Grund« gelten können. Das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Münster hatten den Brütereien in den Vorinstanzen Recht gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun über die Revision. Die Bundesrichter gewährten den klagenden Brütereien eine Übergangsfrist, in der sie weiterhin die frisch geschlüpften Küken töten dürfen, bis Verfahren zur Geschlechtsfrüherkennung im Ei marktreif sind.
Das Töten männlicher Hühnerküken ist in der Zucht von Legehennen gängige Praxis. Da diese Tiere weder Eier legen können, noch das schnelle Wachstum der Mastrassen aufweisen, sind sie aus ökonomischer Sicht wertlos. Noch am Tag des Schlüpfens werden pro Jahr etwa 45 Millionen männliche Küken bei lebendigem Leib mit einem sogenannten »Homogenisator« (einer Maschine mit schnell rotierenden Messern) zerstückelt oder mit Kohlendioxid getötet, wobei sie einen qualvollen Erstickungstod sterben.
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