Kastenstände: Kein Herz für Schweine
Schweinemütter, die in engen Metallkäfigen nahezu bewegungsunfähig ihre Ferkel stillen, Sauen, die dicht an dicht in Metallboxen nebeneinanderstehen – diese schrecklichen Bilder verbinden viele Menschen mit dem Wort »Kastenstand«. Der Bundesrat hat heute darüber entschieden, dass dieses Bild noch lange Realität bleiben wird.
Zahlreiche Tierschutz-Aktivist:innen verschiedener Organisationen protestierten heute Morgen schräg gegenüber dem Bundesratsgebäude am Leipziger Platz. Allein von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt waren rund 30 Aktive gekommen. Ihr Ziel: Das Ende der Kastenstand-Haltung von Sauen. Die Stimmung war gedrückt, denn trotz monatelangen Drucks auf Politiker:innen verschiedener Parteien zeichnete sich ab, dass die Länderkammer einem Kompromiss zustimmen würde, der die Sauen-Käfige noch lange erlaubt.
Keine Käfigfreiheit für Muttersauen
So kam es dann auch. Geändert wurde die sogenannte »Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung« (TierSchNutztV), in der die Kastenstand-Haltung geregelt wird. Bereits im vorigen Jahr hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium von Ministerin Julia Klöckner einen Entwurf vorgelegt, der vorsah, dass Millionen Sauen in Deutschland für weitere 15 Jahre rund die Hälfte ihres Lebens in den körperengen Metallkäfigen fristen müssen. Eine bereits seit 28 Jahren bestehende Vorgabe, wonach sie zumindest ihre Beine in Seitenlage ausstrecken können müssen, ohne an ein Hindernis zu stoßen, sollte sogar gestrichen werden – um die Verordnung der Realität in vielen Ställen anzupassen. Erst nach den 15 Jahren Übergangsfrist sollten die Kastenstände etwas verbreitert und der Aufenthalt der Tiere darin verkürzt werden. Dagegen hatte sich massiver Widerstand formiert. Die Abstimmung im Bundesrat war mehrfach verschoben worden, weil sich keine Mehrheit für einen neuen Entwurf finden ließ.
Fotos: CC BY Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Der heute verabschiedete Kompromiss verkürzt die Übergangszeit zwar auf bis zu acht Jahre und sieht danach eine Gruppenhaltung der Sauen weitgehend ohne Fixierung vor. Doch gilt dies nur für den sogenannten »Deckbereich«, wo die Sauen nach dem Abtransport ihrer Ferkel neu »besamt« werden und den Großteil ihrer Schwangerschaft verbringen. Zudem wird die Vorschrift zum Ausstrecken in Seitenlage vollkommen verwässert: Die Tiere dürfen nur nicht an »bauliche Hindernisse« stoßen. Ein mieser Trick, da sie so dicht liegen, dass das größte Hindernis meist die Sau im Nachbarkäfig ist.
Noch schlimmer sieht es für die Tiere im sogenannten »Abferkelbereich« aus. Dort bringen die Sauen ihre Kinder zur Welt und stillen sie, bis die Kleinen in die Mast kommen. Hier blieb die Klöckner’sche Übergangsfrist von 15 Jahren erhalten. Danach verringert sich lediglich die Anzahl der Tage, an denen die Schweinemütter im sogenannten »Ferkelschutzkorb« (eine Art Kastenstand) fixiert sein dürfen, auf fünf. Außerdem wird verbindlich festgelegt, dass die Boxen mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein müssen.
Ein fauler Kompromiss
In der Debatte im Bundesrat merkte man, dass mit dem Kompromiss, den Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ausgehandelt hatten, eigentlich niemand so richtig glücklich ist. So sieht jedenfalls kein »Systemwechsel« in der Tierhaltung aus, wie sich die an den Verhandlungen beteiligten Politiker:innen, vor allem von Bündnis 90/Die Grünen, den Kompromiss schönreden. Einzig Ministerin Claudia Dalbert aus Sachsen-Anhalt kritisierte in ihrer Rede die langen Übergangsfristen. Sie verwies auf Erfahrungen aus ihrem Bundesland, die zeigten, dass es auch schneller ginge. Sachsen-Anhalt stimmte dem Kompromiss wie auch Berlin nicht zu.
Hoffen auf das Normenkontrollverfahren
Im kommenden Jahr wird das Bundesverfassungsgericht über eine Normenkontrollklage des Landes Berlin entscheiden. Das Land Berlin sah durch die TierSchNutztV die Grundbedürfnisse der Tiere durch die Tierhalter eingeschränkt und somit einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Senator Dr. Dirk Behrendt kündigte bereits an, trotz der heutigen Bundesratsentscheidung an der Klage festzuhalten.
Die Tierschützer:innen können also noch Hoffnung haben, dass Käfige auch für Schweinemütter irgendwann der Vergangenheit angehören werden.
(dw)