Fische in Aquakultur

Fische genießen bei den meisten Menschen weniger Mitgefühl als Säugetiere oder Vögel. Sie erscheinen uns fremdartig, leben unter Wasser in einem dem Menschen lebensfeindlichen Raum, sind anders als Säugetiere wechselwarm, ihr Gesichtsausdruck zeigt keine Mimik und sie gelten als empfindungslos. Doch dieser Eindruck täuscht. Wissenschaftlich betrachtet stehen Fische den landlebenden Wirbeltieren in vielen Aspekten nicht nach: Sie können lernen, sie merken sich schmerzhafte Erlebnisse und versuchen diese zu meiden und sie entwickeln am Erfolg orientierte unterschiedliche Strategien, um an Futter zu gelangen. Ihr Sozialverhalten ist komplex und sie empfinden ebenso Unwohlsein und Schmerz, Angst und Stress wie andere, vom Menschen als »höher« angesehene Lebewesen. Das alles sind Gründe genug, ihre Lebensbedingungen in den verschiedenen Formen der Fischzucht (»Aquakultur«) kritisch zu hinterfragen.

Aquakultur – was ist das?

Bild Aquakultur
© Vladislav Gajic – Shutterstock

Der Begriff »Aquakultur« umfasst alle Formen der Bewirtschaftung wasserlebender Organismen über ihre natürlichen ökologischen Kapazitäten hinaus – in klarer Abgrenzung zur Fangfischerei. Nach Definition der »Food and Agriculture Organization« (FAO) der Vereinten Nationen (auch Welternährungsorganisation) gehört dazu, dass in den Aufzuchtprozess einer Art durch Besatzmaßnahmen, durch Fütterung oder durch den Schutz vor Prädatoren eingegriffen wird, um die Produktion zu steigern. Zur Aquakultur zählen zum Beispiel Forellenproduktion, Lachszucht in Netzgehegen, Karpfenteichwirtschaft, Flusskrebsproduktion in Teichen, Austernproduktion auf Tischkulturen, Kreislaufaquakultur oder Algenproduktion.

Die Vorgehensweise in der Aquakultur von Fischen ist je nach Region, Kultur und technischem Aufwand sehr unterschiedlich. Aquakulturen gibt es als einfache wassergefüllte Gruben im Boden, künstlich angelegte Teiche, wasserdurchströmte Becken, Netzgehege in natürlichen Gewässern bis hin zu hoch technisierten Teilkreislauf- oder Kreislaufanlagen.

Generell lässt sich beobachten: Je größer die notwendige Investition und der technische Aufwand zum Betrieb einer Aquakulturanlage sind, umso größer ist auch der wirtschaftliche Druck, sie möglichst ertragsintensiv zu betreiben. Und je ertragsintensiver eine Tierhaltung betrieben wird, desto eher werden der Schutz und das Wohlbefinden der gehaltenen Tiere dem Streben nach möglichst hohen Erträgen untergeordnet. Dieses allgemeingültige Prinzip der industriellen Intensivtierhaltung lässt sich auch in der Ausweitung der Aquakultur von Fischen und Meerestieren weltweit wiederfinden.

Aquakultur gewinnt an Bedeutung

Aquakultur im offenen Meer
© Malena und Philipp K – fotolia

Weltweit werden immer mehr Fische auf kommerziellen Fischfarmen (»Aquakulturen«) in Teichen, Zuchtbecken und Netzgehegen gezüchtet. Darunter fallen Süßwasserfische wie Karpfen, Forellen, Buntbarsche (Tilapia) oder Welse (Pangasius, Clarias) sowie Meeresfische wie Lachs, Dorade, Wolfsbarsch oder Thunfisch. Die Erzeugung von Nahrung tierlichen Ursprungs in Aquakultur wächst mittlerweile schneller als die industrielle Intensivtierhaltung von Landtieren. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Aquakulturindustrie lag zwischen 2010 und 2020 bei 4,6 %. Damit wächst sie weniger stark als in den Jahrzehnten zuvor, aber weiter stetig.

In den Jahren 2010 bis 2020 stieg die Menge der weltweit in Aquakultur gezüchteten Fische, Krebs- und Weichtiere von 71,5 Millionen Tonnen auf 87,5 Millionen Tonnen. Die Menge an gefangenen wildlebenden Wassertieren bleibt seit den späten 1980ern recht stabil bei um die 90 Millionen Tonnen. Etwa die Hälfte aller genutzten Wassertiere stammen also inzwischen aus Aquakulturen.

Den weltweit größten Anteil an der Aquakulturindustrie hält seit 1991 China: Jahr für Jahr werden alleine in China mehr Tiere in Aquakultur aufgezogen als in allen übrigen Ländern der Erde zusammen. Weitere wichtige Erzeugerländer sind daneben Indien, Indonesien, Vietnam, Bangladesh, Ägypten, Chile und Norwegen.

In Europa werden gerade einmal 3,7 % der weltweiten Mengen an Tierprodukten aus Aquakultur erzeugt, rund 3,3 Millionen Tonnen.

Aquakultur in der EU und in Deutschland

In der Europäischen Union wurden 2020 rund 1,1 Millionen Tonnen an Wassertieren in Aquakulturen produziert, vor allem in Spanien, Frankreich, Griechenland und Italien. Die wichtigsten Arten sind Forellen, Doraden (Goldbrassen), Europäische Wolfsbarsche, Blauflossen-Thunfische, Karpfen, Lachse, Steinbutt sowie Miesmuscheln, Austern und andere Muscheln. Nur etwa ein Fünftel der gesamten EU-Fischereierträge stammt aus Aquakultur. Die EU ist jedoch mit 34 % der weltweit größte Importmarkt für Aquakulturprodukte.

Besonders problematisch innerhalb der EU ist, dass die Tierschutzvorgaben für Aquakultur-Betriebe in den EU-Mitgliedsstaaten nicht einheitlich geregelt sind und sehr unterschiedlich ausfallen. So gelten beispielsweise in Deutschland und den Niederlanden klare gesetzliche Vorgaben für eine wirksame Betäubung von Fischen vor der Schlachtung, wohingegen es in den meisten Aquakultur-Betrieben der Mittelmeerländer nach wie vor üblich ist, die gefangenen Fische unbetäubt auf Eis gelegt ersticken zu lassen.

In Deutschland wurden im Jahr 2021 rund 32.583 Tonnen Wassertiere in Aquakultur erzeugt, davon 18.267 Tonnen Fische. Die wichtigsten Fischarten sind Forellen, Karpfen, Aale sowie der Elsässer Saibling. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden durch deutsche Fischereifahrzeuge 163.853 Tonnen Wildfische und andere Wassertiere gefangen.

Gehalten werden die Tiere hierzulande in traditionellen Karpfenteichen, von Fluss- oder Quellwasser durchströmten Forellenbecken sowie einigen technischen Aquakulturanlagen, die unabhängig von der Verfügbarkeit und Beschaffenheit von Oberflächenwasser arbeiten. Im Saarland ist sogar eine landbasierte Meerwasser-Kreislaufanlage in Betrieb.

Im Gegensatz zur weltweiten Zunahme der Aquakultur findet in Deutschland nur ein geringer Ausbau der Fischzucht in Aquakultur statt. Rund vier von fünf hierzulande verzehrten Fischen stammen aus dem Ausland. Gründe dafür sind die niedrigen Preise importierter Aquakultur-Produkte und die im internationalen Vergleich hohen behördlichen Anforderungen an Aquakultur-Anlagen in Deutschland.

Wasserqualität: ein entscheidender Tierschutzaspekt

Auch wenn sich Parallelen zur industriellen Intensivtierhaltung aufdrängen: Bei Fischen in der Aquakultur sind nicht zu hohe Besatzdichten das brennendste Tierschutzproblem, sondern die Gewährleistung einer jederzeit tiergerecht guten Wasserqualität. Fische brauchen sauberes Wasser zum Atmen, zur Fortbewegung und zur Fortpflanzung, zum Aufnehmen von Futter und um Stoffwechselendprodukte wieder loszuwerden; sie nehmen durch das Wasser ihre Umgebung wahr und sie orientieren sich darin.

Eine zentrale Forderung für verbesserten Tierschutz in der Aquakultur beläuft sich auf die Gewährleistung einer jederzeit hinreichend guten Wasserqualität. Dabei müssen tierartspezifische Ansprüche der unterschiedlichen kultivierten Fischarten angemessen beachtet werden.

Eine schlechte Wasserqualität behindert den Gasaustausch bei der Atmung. Trübstoffe können die Kiemen reizen und sie anfälliger für Krankheitserreger machen. Durch gelöste Schadstoffe im Wasser wird zudem die Haut der Fische in Mitleidenschaft gezogen, sodass ihre Abwehrkraft gegen Pathogene und Parasiten sinkt. Zu warmes oder zu kaltes Wasser, ein falscher pH-Wert oder ein unzureichender Salzgehalt beeinträchtigen ebenfalls die Gesundheit und das Wohlergehen von Fischen. Selbst Stress lässt sich durch gelöste Stresshormone über das Wasser von einem Fisch auf den anderen übertragen – und das sogar zwischen verschiedenen Arten.

Kleinere ungünstige Veränderungen der verschiedenen Wasserparameter können Fische je nach Art und Lebensstadium oft noch längere Zeit kompensieren. Kompensation kostet jedoch Energie und kann bei den wechselwarmen Wasserbewohnern sogar soweit führen, dass sie ihr Wachstum einstellen. Das ist in der gewerblichen Fischzucht kein wünschenswerter Zustand und wird deshalb auch möglichst vermieden. Doch weil sich die verschiedenen Wasserparameter gegenseitig beeinflussen, können kritische Veränderungen relativ unvorhersehbar auftreten und zu Leiden und Schäden führen – bis hin zum Absterben des Fischbesatzes.

Wie schnell die Wasserqualität einer Fischkultur in kritische Werte umkippen kann, ist wiederum von der Besatzdichte abhängig und vom Grad des Wasseraustauschs beziehungsweise der Wasseraufbereitung. Je mehr Fische pro Kubikmeter Wasser gehalten werden, umso schneller muss das Wasser ausgetauscht oder durch biologische Klärung wieder gereinigt werden. In naturnahen extensiven Aquakulturen, beispielsweise Karpfenteichen, findet die Wasserreinigung ausschließlich durch Mikroorganismen und Pflanzen im Ökosystem Teich statt. In intensiveren Aquakulturen, beispielsweise bei der Forellenzucht in Durchflussbecken, muss stetig frisches Bach- oder Quellwasser zugeführt werden. Bei der Aufzucht von Lachsen in marinen Netzgehegen ist der Wasseraustausch durch die Meeresströmung entscheidend für die Wasserqualität. In geschlossenen Systemen, sogenannten Kreislaufanlagen, wird versucht, mit Hilfe hoch technisierter Mess-, Regel-, Belüftungs- und Aufbereitungstechnik die Wasserqualität aufrechtzuerhalten.

Als tierschutzgerecht in Hinblick auf die Wasserqualität kann eine Aquakultur nur dann angesehen werden, wenn in ihr Leiden und Schäden wirksam vermieden werden, die aufgrund von kritischen Veränderungen der Wasserqualität durch die Besatzdichte, durch natürliche äußere Einflüsse oder durch technische Mängel der Anlage auftreten können.

Betäubung und Schlachtung von Fischen

Ob und wie Fische Schmerz empfinden können, wird unter Wissenschaftler:innen immer noch kontrovers diskutiert. Das Gehirn von Fischen unterscheidet sich nämlich in seinem Aufbau und seiner Struktur deutlich vom Gehirn der Säugetiere. So argumentieren die einen, Fische könnten gar nicht über eine bewusste Schmerzempfindung verfügen, weil ihnen eine hoch entwickelte Großhirnrinde (der Neocortex) fehle. Der Neocortex gilt gemeinhin als Sitz der bewussten Sinneswahrnehmung bei Säugetieren. Mit demselben Argument wurde jedoch auch Vögeln lange Zeit jegliches bewusste Empfinden abgesprochen – ein besonders zur Rechtfertigung der Legebatterien beliebter Vorwand – bis jüngere Forschungsergebnisse bei Vögeln sogar weit komplexere Fähigkeiten zweifelsfrei aufzeigten, wie z. B. logisches Denken, hohe Gedächtnisleistungen und Emotionsvermögen. Daraus wird deutlich, dass weniger die Struktur des Gehirns als vielmehr gezielte verhaltensbiologische Untersuchungen einen Aufschluss geben können, ob und wie Fische Schmerz empfinden.

Und tatsächlich: Fische zeigen in entsprechenden Untersuchungen nicht nur, dass sie relevante äußere Reize erkennen und darauf sinnvoll reagieren. Sie merken sich auch günstige oder unangenehme Situationen und versuchen, ihr Verhalten langfristig an diese Erlebnisse anzupassen. Sie suchen gezielt nach Linderung, wenn sie eine Verletzung oder Parasiten auf der Haut haben. Sogar Hinweise auf komplexes kognitives Verhalten wie die Nutzung von Werkzeugen oder das Erlernen von »Tricks« werden von einigen Fischarten berichtet. Da sich solche und andere Verhaltensmuster nicht mehr nur aus einer einfachen Reiz-Reflex-Reaktion erklären lassen, deuten wissenschaftliche Erkenntnisse immer stärker darauf hin, dass Fische auch ohne hoch entwickelte Großhirnrinde über eine bewusste Schmerzwahrnehmung verfügen.

Im deutschen Tierschutzrecht wird ein bewusstes Schmerzempfinden bei Fischen bereits berücksichtigt. So dürfen Fische hierzulande nur geschlachtet werden, wenn sie zuvor betäubt wurden (§ 12 Abs 10 TierSchlV). Als zulässige Methoden gelten dabei die Elektrobetäubung und der Kopfschlag, die Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt sowie bei Salmoniden auch noch die Betäubung mit Kohlendioxid. Letztere wird aber als nicht hinreichend tierschutzgerecht kritisiert, unter anderem weil bei ihr die Betäubung wesentlich später eintritt als bei Elektrobetäubung oder Kopfschlag und weil sich deutliche Anzeichen von erhöhtem Stress bei den so behandelten Fischen messen lassen.

Innerhalb der EU wird außer in Deutschland und den Niederlanden in keinem anderen Land eine Betäubung von Fischen vor der Schlachtung verbindlich vorgeschrieben. Oft werden Fische aus Aquakultur nach dem Abfischen lediglich auf Eis gepackt, wo sie in einem minutenlangen Todeskampf ersticken. Diese Praxis stammt aus der Fangfischerei und ist in den Mittelmeerländern, aber auch in Asien weit verbreitet, wo das Kühlen von Fisch als Schutz vor dem Verderben kulturell einen ungleich höheren Stellenwert genießt als der Schutz der Fische vor unnötigem Leid. Auf Druck großer Abnehmer wie Tesco arbeiten einige europäische Aquakultur-Betriebe bereits mit einer Elektrobetäubung vor der Schlachtung. Diese Methode ist in der europäischen Lachsindustrie bereits zunehmend verbreitet, zumal ein unter Betäubung geschlachteter Fisch aus lebensmittelchemischer Sicht über eine bessere Fleischqualität verfügt als ein leidvoll verendeter. Entsprechende technische Lösungen sind verfügbar und wären auch für andere Fischarten anzupassen. Aber eine EU-weite Betäubungspflicht für alle Aquakultur-Betriebe ist politisch nicht in Sicht. Eher im Gegenteil: Die EU-Kommission kam erst in einer Ende 2017 vorgelegten Studie zu dem Schluss, eine freiwillige Initiative der Aquakultur-Industrie sei gegenüber einem politischen Regelungsakt der Kommission zu bevorzugen. Aus Tierschutzsicht ist das eine dringende Herausforderung zum Handeln.

Exkurs: Verfügen Fische über ein Bewusstsein?

Bewusstsein lässt sich nicht objektiv messen. Es wird in der Forschung zum einen als Fähigkeit der reflexiven Selbstwahrnehmung definiert, also beispielsweise als ein »Ich-Gefühl«. Zum anderen kann man die bewusste Wahrnehmung der Umgebung und ihrer Reize, ohne sich dabei seiner Selbst bewusst zu sein, bereits als Bewusstseinszustand ansehen, also beispielsweise die Empfindung von grundlegenden Emotionen wie »gut oder schlecht«. Legt man aktuelle neuroanatomische, neurophysiologische und ethologische Forschungsergebnisse zu verschiedenen Fischarten zugrunde, so ist es sehr wahrscheinlich, dass Fische entgegen landläufiger Meinung tatsächlich über eine solchermaßen bewusste Wahrnehmung von Emotionen wie Schmerz oder Angst verfügen.

Ob der Bewusstseinszustand eines Fisches dem des Menschen ähnlich ist oder nicht, ist zwar strittig, aber letztlich unerheblich. Die vorliegenden wissenschaftlichen Hinweise auf ein bewusstes Empfinden von Schmerzen und Unwohlsein bei Fischen reichen bei Weitem aus, um nach deutschem Tierschutzrecht eine wirksame Vermeidung von Leiden und Schäden bei Fischen zu fordern.

Gesunderhaltung und Hygiene

Krankheiten und Parasitosen können zu erheblichem Leid bei Fischen in Aquakultur führen. Erkenntnisse darüber, wie oft und wie stark einzelne Aquakultur-Betriebe von viralen oder bakteriellen Erkrankungen, von Pilzinfektionen oder Parasitenbefall betroffen sind, können Hinweise über Tierschutzprobleme in den Betrieben liefern. Insbesondere wenn in intensiven Haltungsformen haltungsbedingter Stress durch bspw. eine unzureichende Wasserqualität oder zu hohe Besatzdichten auftritt, kann dies zu einem Krankheitsausbruch beitragen. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht jeder kranke Bestand zwangsläufig auch ein Tierschutz- oder Managementproblem haben muss. Krankheiten entstehen auf vielfältige Art und Weise.

Entscheidend ist vor allem die Vorbeugung von Erkrankungen. Zur Gesunderhaltung tragen ein fachkundiger Umgang mit den Fischen in Fütterung und Pflege sowie ein hohes Maß an Hygiene bei. Schädliche Erreger können über den Zulauf von Wasser, über Futtermittel, Wildtiere oder Besucher, aber auch über Besatzfische oder aus benachbarten Kulturen in eine Aquakultur gelangen.

Die Bekämpfung von Fischseuchen in Deutschland wird durch die Fischseuchenverordnung vom 24.11.2008 geregelt, welche die EU-Richtlinie 2006/88/EG in deutsches Recht umsetzt. Gemäß § 7 der Fischseuchenverordnung müssen genehmigungspflichtige Aquakultur-Betriebe ihren Fischbestand in Abhängigkeit vom Erkrankungsrisiko bis zu dreimal jährlich von einem »Qualifizierten Dienst« untersuchen lassen. Ähnliche Maßnahmen sollten auch von allen Erzeugerländern eingefordert werden, die Fische aus Aquakultur in die EU liefern.

Exkurs: Lachsläuse

Wie alle wildlebenden Tiere werden Lachse und lachsartige Fische wie Meerforellen oder Regenbogenforellen in der freien Natur von Parasiten befallen. Problematisch wird es, wenn die befallenen Fische ihre Parasiten nicht mehr auf natürlichem Wege loswerden. In den unnatürlich dichten Fischbeständen von Lachsfarmen führt vor allem der Befall mit sogenannten Lachsläusen immer wieder zu massiven und aus Tierschutzsicht untragbaren Schäden.

Lachsläuse – auch Seeläuse (sea lice) genannt – sind wenige Millimeter große meeresbewohnende Kleinkrebse. Sie setzen sich bereits als Larve auf der Haut eines Wirtsfisches fest. Oft kommt es besonders am Kopf der befallenen Fische zu größeren Ansammlungen dieser Parasiten. Nach dem Festsetzen ernähren sich die Lachsläuse von der Schleimschicht, der Haut und dem Blut ihres Wirtsfisches. Dabei wachsen sie über mehrere Häutungen zum erwachsenen Krebs heran. Die Fraß-Aktivitäten der Lachsläuse richten schwerwiegende Gewebeschäden am befallenen Fisch an. Die Fähigkeit der Fische, den Salzgehalt ihrer Körperflüssigkeit zu regulieren, wird massiv beeinträchtigt. Die befallenen Fische versuchen vergeblich, durch Reiben an Materialien des Netzgeheges die Parasiten wieder loszuwerden. Zudem bleiben die abgeworfenen Häutungshüllen der Läuse in der Fischhaut verankert, wo sie starke Entzündungen hervorrufen. Durch die offenen Wunden in der Fischhaut können krankheitserregende Viren und Bakterien ungehindert eindringen. Zur Bekämpfung von bakteriellen Sekundärinfektionen kommen Antibiotika zum Einsatz. Ohne erfolgreiche Behandlung führt der fortschreitende Befall eines Fisches mit Seeläusen zum Tod.

Eine erwachsene weibliche Lachslaus lebt bis zu acht Monate und kann in dieser Zeit mehrere Tausend Nachkommen produzieren. Diese finden in den dichten Fischbeständen der Lachsfarmen leicht neue Wirte. So kommt es unter günstigen klimatischen Bedingungen zum Massenbefall mit fatalen Folgen für die Fische – mittlerweile ein chronisches Problem, dem nur noch mit hohem Aufwand zu begegnen ist. In der Lachsindustrie macht die Bekämpfung der Lachslaus derzeit bis zu 10 % der Produktionskosten aus.

Doch die bisher üblichen Methoden, die Parasiten zu bekämpfen, verursachen selbst wiederum Probleme. So erweisen sich Lachsläuse zunehmend als resistent gegen chemische Wirkstoffe. Das zwingt verstärkt zur Entfernung der Läuse mit anderen Methoden, beispielsweise der Behandlung der befallenen Fische mit heißem Wasser oder dem Abbürsten der Lachsläuse mit speziellen Bürsten. Doch diese Maßnahmen führen ihrerseits zu neuen Tierschutzproblemen: So verendeten 2015 und 2016 mehr als 157.000 Lachse in Schottland, weil eines der größten Aquakulturunternehmen versuchte, Lachsläuse mit Hitze zu entfernen. Die Behandlung mit Bürsten wiederum ist für die Fische nicht nur extrem stressig, sondern kann ebenfalls zu Folgeschäden führen. Insider der Lachsindustrie gehen davon aus, dass im Jahr 2016 offenbar mehr Lachse durch Behandlungen getötet wurden, als selbst massiver Lachslausbefall es vermocht hätte. Auch eine für die Lachse weniger schädliche alternative Behandlungsmethode, die Lachsläuse durch der Lachszucht zugefügte Putzerfische abfressen zu lassen, ist wenig tierschutzgerecht. Denn die überwiegend aus nicht nachhaltigem Wildfang stammenden Putzerfische verhungern, wenn sie die Lachsläuse weggefressen haben, oder sie gehen zugrunde, wenn zum Winter hin das Wasser für sie zu kalt geworden ist.

Eine tierschutzgerechte technische Methode zur Bekämpfung der Lachslaus wäre mittlerweile verfügbar: Mit Hilfe eines hochleistungsfähigen Bilderkennungssystems und eines starken Unterwasser-Lasers lassen sich die Lachsläuse von der Haut der befallenen Fische im Netzgehege entfernen. Die Laus stirbt durch den Laserimpuls und der Fisch spürt den Abschuss offensichtlich nicht. Der Anteil der norwegischen Lachsfarmen, die den Laser einsetzen, liegt noch im einstelligen Bereich.

Handling und Transport von Fischen

Für Fische in der Aquakultur gibt es kaum eine schwerwiegendere Stressquelle als das Handling und den Transport. Als »Handling« bezeichnet man beispielsweise das Zusammenführen von Fischen für eine bevorstehende Maßnahme, das Abfischen, das Überführen in neue Becken oder Tanks, das Wägen und Sortieren, die Vorbereitung zum Impfen, das Abstreifen der Geschlechtsprodukte sowie das Schlachten. Der Transport von Fischen beinhaltet das Fasten, Zusammenführen, Abfischen, Pumpen, Beladen, Transportieren und Entladen, was zu Stressreaktionen und länger anhaltenden Beeinträchtigungen der Fische führen kann.

Sowohl der Umgang mit den Fischen bei solchen Maßnahmen als auch die Häufigkeit, mit der ein Handling oder ein Transport der Fische notwendig wird, hängen sehr von der Fachkunde des Personals und der Qualität des Managements einer Aquakultur ab. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je seltener es zu Handling und Transport der Fische kommt, desto geringer sind Stress und Belastung für die Fische. Schäden an Schleimschicht, Haut, Schuppen und Kiemen sowie die physiologische Stressbelastung können eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und eine erhöhte Sterberate nach sich ziehen.

Problematisch ist dabei, dass traditionelle Maßnahmen wie das Abfischen mit Keschern oder Körben, das Zusammenführen vieler Fische in Netzen oder der Transport in einfachen Behältern ohne Regelung der Wasserqualität oft genug nicht kritisch hinterfragt werden, weil sie immer noch die landläufige Vorstellung einer »traditionellen Fischwirtschaft« bestimmen. Werden Fische hingegen mit Hilfe technischer Methoden wie dem Einsatz von Fischpumpen von einem Ort der Aufzucht an einen anderen versetzt, so ist das bei Weitem weniger belastend für sie als eine Entnahme aus dem Wasser. Auch in natürlichen Gewässern ist es für Fische selbstverständlich, sich unter Wasser zwischen Steinen und unter Wurzeln durch enge Öffnungen zu bewegen. Für viele Fischarten empfiehlt sich der Einsatz von automatischen Pumpen, Sortierungs- und Wägesystemen als wissenschaftlich fundierte, tierschutzgerechtere Alternative zu Kescher und Netz.

Wie stark die tatsächliche Belastung durch Handling und Transport für Fische ausfällt, ist von Fischart zu Fischart sehr unterschiedlich. So wäre ein Afrikanischer Wels in der Lage, selbst widrigste Umweltbedingungen wie einen längeren Aufenthalt an der Luft noch zu überleben, eine Goldbrasse dagegen ginge an einer solchen Behandlung schon nach wenigen Minuten zugrunde. Will man das Handling und den Transport von Fischen in der Aquakultur tierschutzgerechter gestalten, so muss man für jede Fischart spezifische Anforderungen formulieren, auf Grundlage verlässlicher wissenschaftlicher Befunde.

Unterschiedliche Bedürfnisse von Fischen

In der landwirtschaftlichen Tierhaltung werden nur wenige verschiedene Tierarten genutzt, in der Aquakultur sind es mehrere Hundert. Die meisten genutzten Fischarten sind erst seit so kurzer Zeit in Aquakultur genommen worden, dass kaum fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse über ihre arteigenen Bedürfnisse vorhanden sind. Selbst zwischen nah verwandten Fischarten wie Forelle und Lachs sind Erkenntnisse nicht ohne Weiteres übertragbar. Um herauszufinden, unter welchen Einschränkungen eine Fischart Stress erleidet und welche Bedingungen für sie förderlich sind, wären eingehende ethologische Untersuchungen erforderlich. Die Möglichkeit zum Ausleben arteigener angeborener Verhaltensweisen gehört zu den Säulen einer tierschutzgerechten Haltung.

So kommt die Organisation Fair-Fish International letztlich zu dem Fazit, dass die aktuell vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über das angeborene Verhalten der überwältigenden Mehrzahl aller in Aquakultur genutzten Fischarten noch nicht ausreichen, um eine tierschutzgerechte Aufzucht zu ermöglichen.

Fütterung

Fische sind wechselwarm, das heißt, ihre Körpertemperatur passt sich der Umgebungstemperatur an. Das hat einen großen Einfluss auf den Stoffwechsel und somit auch auf den Ernährungsbedarf. Die richtige Zusammensetzung des Futters und die Art der Fütterung sind tierschutzrelevant und wirken sich unmittelbar auf den Gesundheitszustand von Fischen aus. Die Nahrungsaufnahme an sich ist aber, anders als bei gleichwarmen Landtieren, auch ein Hinweis auf ein relativ geringes Stressniveau. Fische stellen nämlich bei für sie ungünstigen Lebensbedingungen – zu kaltes Wasser, zu wenig Sauerstoff, nicht der richtige Salzgehalt oder zu viel innerartliche Auseinandersetzung – schnell die Nahrungsaufnahme ein, um die Störungen physiologisch zu kompensieren. Selbst ein Wechsel im Rhythmus von Licht und Dunkelheit in der »Photoperiode« kann bereits dazu führen, dass Fische das Fressen einstellen.

Bei der Fütterung von Fischen in Aquakultur ist es unerlässlich, die Futtergaben zeitlich und räumlich so zu verabreichen, dass kein übermäßiger Stress durch Nahrungskonkurrenz unter den Fischen entsteht. Er kann im ungünstigen Fall zu gegenseitigen Verletzungen führen. Die Zusammensetzung des Futters muss zudem eine ausreichende Versorgung mit essenziellen Amino- und Fettsäuren gewährleisten. Anderenfalls kann es zu Mangelerscheinungen, Krankheitssymptomen und bis hin zu Fehlbildungen kommen. In der Futtermischung muss das Verhältnis zwischen (teuren) Proteinen und (preiswerten) Kohlenhydraten im Futter auf den tatsächlichen Bedarf der Fische und nicht an ökonomischen Kriterien ausgerichtet werden.

Ein Aspekt in der Diskussion um Nachhaltigkeit in der Aquakultur von Fischen ist die Fütterung von karnivoren Fischarten mit Fischmehl und Fischöl. Aus ökologischen Gründen ist es wünschenswert, so wenig Fisch wie möglich wild zu fangen, um damit Fische in Aquakultur zu füttern. Das erfordert eine hocheffiziente Verwertung von Fischresten aus der Schlachtung und Verarbeitung. Andererseits ist das Anlanden von Beifang (nicht erwünschte Fische, die mit Speisefischen zusammen ins Netz gegangen sind) anstelle des Über-Bord-Werfens eine sinnvolle und politisch geforderte Maßnahme. Nur so kann wirksam kontrolliert werden, ob und wie sich Fangmethoden in der Fischerei zielgerichteter und bestandsschonender verbessern lassen. Aus Tierschutzgründen ist die Fütterung von Fischen mit speziell dazu gefangenen anderen Fischen mehr als fragwürdig. Aber auch die rein vegetarische Ernährung von karnivoren Fischen kann Tierschutzprobleme nach sich ziehen, sofern sie zu Mangelerscheinungen und physiologischem Stress führt. Hier gilt es, einen Weg zu finden, der sowohl ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit als auch Tierschutzanforderungen miteinander vereinbar macht.

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