
Puten – auch Truthühner genannt – sind neugierige und intelligente Vögel. Wilde Puten sind ursprünglich in Steppen, an Waldrändern und in lichten Wäldern in Mittel- und Nordamerika beheimatet, wo ihnen ein vielfältiges Nahrungsangebot zur Verfügung steht. Sie verstecken sich in dichtem Unterholz, bauen ihre Nester auf dem Boden und suchen ihre Schlafplätze auf Bäumen. Obwohl Wildputen gut fliegen können, bevorzugen sie es, sich laufend fortzubewegen.
In der Natur leben Puten in komplexen Sozialstrukturen zusammen: Zur kalten Jahreszeit formieren sie nach Geschlechtern getrennte Verbände von mehreren hundert Tieren mit fester Rangordnung. Speziell In der Brutzeit leben weibliche Puten dagegen abgeschieden in Nistgruppen von nur zwei bis fünf Hennen. Nach dem Schlüpfen der Jungen schließen sich Hennen und Küken wiederum zu großen Herden zusammen. Sieben Monate lang werden die Jungtiere von ihren Müttern behutsam betreut und beschützt. Diese soziale Vielfalt erleben Puten in der Massentierhaltung oder intensiven Tierhaltung nicht.
Leben in der Putenmast

In Deutschland leben rund 12,4 Mio. Mastputen in konventioneller Haltung (Stand 2016). Rund 88 % dieser Puten werden in Mastbetrieben mit 10.000 und mehr Tieren gehalten.
Den Mastbetrieben vorgeschaltet sind Vermehrungsbetriebe, in denen Elterntiere zur Produktion von Nachwuchs – die zukünftigen Mast- oder Zuchttiere – gehalten werden, und Brütereien, in denen die Eier aus den Vermehrungsbetrieben in vollautomatischen Brutmaschinen ausgebrütet werden.
Zucht
Bei der heutigen Putenmast steht die schnelle Gewinnung von Fleisch im Vordergrund. Eingesetzt wird dafür in Deutschland überwiegend die Hybridrasse »B.U.T. 6« (»Big 6«), die auch »schwere Zerlegepute« genannt wird – eine Bezeichnung, die sich nur noch auf die spätere Weiterverarbeitung bezieht. Die Tiere entstammen wenigen großen Zuchtunternehmen, die in der Dachorganisation Aviagen Turkeys vereint sind.
Von Mästern gewünscht – jedoch als hoch problematisch zu bewerten – ist bei den Puten dieser Hybridlinie die Gewichtszunahme: Während ein männliches Küken noch etwa 60 Gramm wiegt, beträgt sein Gewicht am Ende der Mast bis zu 21 kg – das entspricht einer 350-fachen Gewichtsteigerung. Sogar »Spitzenleistungen« von knapp 24 kg werden erreicht. Zum Vergleich: Ein Wildputer wiegt gerade einmal 5 kg. Und noch vor 30 Jahren wog ein Mastputer durchschnittlich 11 kg. Zudem problematisch ist die Überzüchtung auf einen überdimensionalen Brustfleisch-Anteil aufgrund von Verbraucherpräferenzen – die Brustmuskulatur macht letztlich bis zu 40 % des gesamten Körpergewichts aus.
Die Überzüchtung ist mit erheblichen gesundheitlichen Schäden für die Puten verbunden (s. u.): Als Folge der Belastung durch das ungleiche Verhältnis von Muskulatur zu den inneren Organen und die Überbeanspruchung des Stoffwechsels versagt häufig ihr Körper.
Mast
Im Anschluss an den Transport aus den Brütereien in die Mastbetriebe verbringen die Tiere ihre ersten Tage in sogenannten Aufzuchtringen, voneinander abgetrennte Bereiche, die nur mit Futterautomaten und Tränken ausgestattet sind. Dort müssen sich die Küken allein und ohne Elterntiere zurechtfinden. Damit sie ausreichend fressen, so früh wie möglich an Körpergewicht zunehmen und um Hungertode zu vermeiden, wird der Stall in den ersten Tagen bis zu 23 Stunden lang hell erleuchtet. Nach etwa einer Woche werden die Aufzuchtringe entfernt und den jungen Puten steht die gesamte Fläche zur Verfügung.
Gemästet werden sowohl männliche als auch weibliche Masttiere (Truthähne/Puter bzw. Truthennen/Puten): nach Geschlechtern getrennt, in großen Hallen ohne Auslauf und mit jeweils mehreren Tausend Tieren pro Gruppe. Das dominierende Mastverfahren ist dabei die sogenannte Langmast (95 % der Putenmast in Deutschland), bei der die weiblichen Tiere nach 15-17 Wochen und die männlichen nach 19-22 Wochen geschlachtet werden. Die seltenere Kurzmast dauert bei beiden Geschlechtern nur 9-12 Wochen – diese Tiere werden meist als sogenannte »Baby-Puten« vermarktet.
Mit jeder Lebenswoche werden die auf körperliche Höchstleistung gezüchteten Tiere rapide größer: Ist das Platzangebot anfänglich noch verhältnismäßig groß, sind zum Ende der Mastperiode Besatzdichten mit bis zu 52 bzw. 58 kg Lebendgewicht pro m² (je nach Geschlecht) üblich – das entspricht fünf weiblichen oder drei männlichen Tieren pro m².
Hohe Besatzdichte

Aufgrund des geringen Platzangebots leben die Puten im ständigen Gedränge: Sie haben kaum Platz, bewegen sich dadurch weniger und liegen länger auf dem vollgekotetem Boden – das Risiko für Verletzungen und Erkrankungen steigt (s. u.). Durch die hohe Besatzdichte eingeschränkt, scharren und picken sie nicht nur seltener – eine von Artgenossen ungestörte Futteraufnahme ist insgesamt kaum noch möglich. Auch die für Vögel typische Gefiederpflege und das Sandbaden werden nicht mehr so häufig ausgeführt.
Je mehr Tiere zusammengedrängt in einem Stall leben, desto mehr Exkremente fallen an: Die Qualität der Einstreu verschlechtert sich von Tag zu Tag. Häufig wird nur eine dünne Schicht frischer Einstreu nachgestreut, gegen Ende der Mast wird völlig darauf verzichtet. Die mangelnde Hygiene schränkt das Wohlbefinden der Tiere ein und Gefiederverschmutzungen, krankhafte Hautveränderungen und Herz-Kreislauf-Probleme nehmen zu (s. u.). Aus dem Gemisch von Einstreu und Exkrementen gelangen vor allem Schadgase wie Ammoniak in die Stallluft und reizen die Augen und die Schleimhäute der Tiere. Der Krankheitsdruck und die Krankheitsanfälligkeit der Tiere steigen.
Antibiotikaeinsatz
Um Tierverluste zu verhindern, werden Antibiotika eingesetzt. Eine individuelle Tierbehandlung findet dabei nicht statt, stattdessen erhält die gesamte Gruppe Medikamente über das Trinkwasser. Laut einer Studie zum Einsatz von Antibiotika bei Puten in Nordrhein-Westfalen wurden über 90 % der untersuchten Mastdurchgänge mit Antibiotika behandelt – zum Einsatz kamen dabei sehr häufig auch Reserveantibiotika, deren Einsatz in der Tierhaltung eigentlich nur Ausnahmefällen vorbehalten ist.
Schnabelkürzen
Die üblichen Mastställe zur dominierenden Bodenhaltung sind unstrukturiert und reizlos gestaltet: Rückzugmöglichkeiten, Sitzstangen oder erhöhte Ebenen fehlen. Materialien wie Stroh, Papier, CDs, Plastikteile oder -bänder sollen daher zeitweise für etwas Ablenkung sorgen. Das Beschäftigungsbedürfnis bleibt damit allerdings unbefriedigt. Zusammen mit anderen problematischen Haltungsbedingungen wie der hohen Besatzdichte und der mangelnden Hygiene führt dies zu schwerwiegenden Verhaltensstörungen. So fangen die Tiere schon im Kükenalter damit an, an den Federn der Artgenossen herumzupicken, was bis zum Kannibalismus führen kann. Auch der genetische Einfluss, künstliche Bedingungen während des Ausbrütens oder Sozialstress werden als weitere Ursachen diskutiert.
Um die Folgen solcher Verhaltensstörungen einzudämmen, wird jeder Pute – egal ob zukünftiges Mast- oder Zuchttier – betäubungslos die Schnabelspitze gekürzt. Dieser Eingriff stellt laut Tierschutzgesetz eigentlich eine verbotene Amputation dar. Das Verbot wird aber mit Ausnahmegenehmigungen von den Behörden umgangen – obgleich klar ist, dass das Schnabelkürzen nicht die Ursachen des Federpickens behebt.
Zum Kürzen der Schnäbel hängen Mitarbeiter die frisch geschlüpften Küken in eine Maschine, in der bis zu 4000 Küken pro Stunde automatisch behandelt werden können. Nur am Kopf hängend werden sie zum sogenannten Brenner transportiert. Dort trifft ein dünner Infrarotstrahl von oben auf den Schnabel und wirkt mit extremer Hitze auf die Zellen im Schnabel ein. Schon einige Tage später wird die vom Laser getroffene Stelle des Oberschnabels blasig und verfärbt sich. Über wenige Tage hinweg verschorft das Gewebe teilweise, bis die Schnabelspitze vollständig abfällt.
Durch den Infraroteingriff wird auch das hochsensible Schnabelspitzenorgan im Unterschnabel zerstört, das bei der Futtersuche und -aufnahme hilft. Bei vielen Putenküken wird ebenfalls Knochengewebe entfernt – starke Schmerzen sind die Folge. Mikroskopische Untersuchungen der Schnäbel vergleichen die Schnabelveränderungen nach dem Infraroteingriff mit den Folgen einer Verbrennung zweiten bzw. dritten Grades beim Menschen.
Die Schnabelspitzenamputation stellt einen extremen Eingriff dar, der die Vögel ein Leben lang beeinträchtigt: Ein intakter Schnabel – ein mit Blutgefäßen und Nerven durchzogenes sensibles Tastorgan ähnlich den menschlichen Fingerspitzen – ist das wichtigste Werkzeug der Pute. Rein funktionell lässt sich der Schnabel teilweise mit Lippen und Zähnen von Säugetieren vergleichen. Mit ihm wird nach Futter gepickt, Pflanzen gezielt nach Samen abgestreift und das eigene Gefieder gepflegt. Nach dem Schnabelkürzen sind normale Verhaltensweisen wie Nahrungssuche und Gefiederpflege nur noch eingeschränkt möglich.
An der Tatsache, dass zum Lebenserhalt der Puten derartige Maßnahmen nötig sind, wird deutlich, in welchem Ausmaß die »moderne Tierhaltung« der Natur der Tiere zuwider läuft.
Zurückdrängung der Grundbedürfnisse der Puten
Die vorherrschenden Haltungsbedingungen verhindern das Ausleben wesentlicher Bedürfnisse. Besonders die strukturarme Umwelt und die hohe Besatzdichte beeinträchtigen das Wohlbefinden der Puten und führen zu schweren Verhaltensstörungen. Zu den Grundbedürfnissen von Puten gehören Sozialverhalten, Körperpflege, Ruheverhalten, verschiedene Bewegungsarten (z. B. Flattern, Laufen, Rennen) und diverse Techniken der Nahrungssuche und -aufnahme, wie Scharren, Ausgraben, Picken und Hacken.
a) Nahrungssuche
In freier Natur verbringen Puten bis zu 50 % ihrer aktiven Zeit mit der Suche, der Prüfung, der Bearbeitung und der Aufnahme von Nahrung. Zum Nahrungsspektrum gehören Samen, Pflanzen, Insekten und Würmer. In der Putenmast werden die Tiere jedoch mit Kraftfutterpellets gefüttert, wodurch sich die Zeit der Nahrungsaufnahme auf nur etwa 8 % der Tagesaktivitäten reduziert. Folgen der eingeschränkten Möglichkeiten zur arttypischen Nahrungssuche und -aufnahme sind Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Kannibalismus (s. o.). Die in Mastställen üblichen Fütterungseinrichtungen reichen zudem nicht aus, um der großen Zahl von Puten ein gleichzeitiges und ungestörtes Fressen zu ermöglichen. Auch die Nippeltränken mit kleinen Trinkschalen werden dem natürlichen Trinkverhalten – typisch ist das Eintauchen des Schnabels in Wasser – nicht gerecht.
b) Körperpflege
Puten zeigen normalerweise eine große Bandbreite an Komfort- und Putzverhalten wie ausgiebige Streckbewegungen, Gefiederschütteln, Flügelschlagen und Schnabelwetzen sowie ein ausgeprägtes Putzverhalten mit ihrem Schnabel und ihren Krallen. Aufgrund ihrer übergroßen Brustmuskulatur und dem damit verbundenen Problem das Gleichgewicht zu halten, können sich Mastputen jedoch nur noch eingeschränkt im Liegen und deutlich seltener putzen – und gerade liegende Tiere geraten vermehrt mit Exkrementen in Kontakt. Auch das zur Gefiederpflege nötige Sandbaden kann aufgrund von Platzmangel und dreckiger Einstreu mit fortschreitender Mastdauer immer schlechter ausgeführt werden. Insgesamt sind starke Gefiederverschmutzungen und Federverluste die Folge.
c) Ruheverhalten
Im Maststall herrscht eine ständige Unruhe, da die Besatzdichte zu hoch ist und es keine Trennung von Aktivitäts- und Ruhebereiche für die Tiere gibt. Durch das Gedränge werden die Ruhezeiten ständig von Artgenossen unterbrochen und verkürzen sich: Schon bei mehr als zwei Hähnen pro m² (ab der zehnten Lebenswoche) wird das Ruhe- und Schlafverhalten beeinträchtigt.
Das Bedürfnis auf Bäumen oder ähnlichen Erhöhungen zu schlafen, ist auch bei den Intensivrassen stark ausgeprägt. Da jedoch in den Masthallen entsprechende Vorrichtungen wie etwa Sitzstangen fehlen, ist ein artgemäßes Ruhen und Schlafen für die Tiere unmöglich. Doch selbst wenn man den schweren Mastputen Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellt, können sie diese mit steigendem Mastalter und zunehmenden Bewegungs- und Gleichgewichtsproblemen kaum noch nutzen. Ihr hohes Körpergewicht zwingt die Tiere dazu, auf dem vollgekoteten und feuchten Boden zu liegen. Schmerzhafte Brustveränderungen sind die Folge.
d) Sozialverhalten
Unter naturnahen Bedingungen kümmert sich die Mutterhenne intensiv um ihren Nachwuchs. In der industriellen Putenhaltung werden die Eier künstlich ausgebrütet und die Küken sind ab dem ersten Lebenstag auf sich allein gestellt. Das Fehlen leitender Alttiere macht sich auch im Verlaufe der Mast bemerkbar: Ein für Puten typischer hierarchischer Sozialverband kann kaum ausgebildet werden, da eine natürliche Altersstruktur innerhalb der Gruppe fehlt.
Für das Sozialverhalten und Erkennen untereinander spielt die Stallbeleuchtung eine ebenso wichtige Rolle. Denn die Vögel orientieren sich primär visuell und können sogar Farben im ultravioletten (UV) Bereich sehen. Die Puten unterscheiden sich untereinander vor allem dadurch, dass manche Bereiche des Gefieders das UV-Licht auf besondere Weise reflektieren. Doch in den Mastställen werden hauptsächlich einfache und günstigere Glühbirnen genutzt, die kein UV-Licht abgeben. Unter diesem Licht erscheint das Gefieder einheitlich für die Puten. Es wird vermutet, dass die Tiere im Licht der einfachen Glühbirnen ihre Artgenossen und Umgebung nur eingeschränkt – sogar regelrecht verzerrt – wahrnehmen. Dies hat negative Einflüsse auf das Sozialverhalten und begünstigt Federpicken. Um die Aggressionen wiederum zu reduzieren, werden Puten häufig in blauem Licht gehalten, das aufgrund der spezifischen Licht- und Farbwahrnehmung beruhigend auf sie wirkt.
Das artgemäße Sozialverhalten wird auch aufgrund der hohen Besatzdichte und der großen Tiergruppen in den Hallen erschwert. Schon ab einem Lebendgewicht von knapp über 40 kg pro m² (das in Deutschland, wie oben erwähnt, weit überschritten wird) kommt es zu fast dauerhaftem Stress und Konkurrenzverhalten. Vor allem die männlichen Tiere drohen und imponieren sich, dabei spreizen sie ihre Flügel weit ab und plustern ihre Federn auf. Im Gedränge schlägt dies schnell in Aggressionen um: Die Tiere springen sich an, hacken aufeinander ein und verbeißen sich regelrecht fest ineinander. Trotz gekürzter Schnäbel können sich die Tiere so schwere Verletzungen zufügen.
Körperliche Leiden und Schäden der Puten
Im Zuge der intensiven Tierhaltung erfahren Mastputen regelmäßig folgende Schmerzen, Leiden und Schäden, die überwiegend durch die Überzüchtung (»Qualzucht«) und mangelhaften Haltungsbedingungen (z. B. eingeschränkter Bewegungsfreiheit) entstehen:
- Erkrankungen des Skelettsystems (inkl. Beinschwäche)
- Sohlenballengeschwüre oder Verätzungen an den Ballen
- Brustverletzungen (Geschwüre und Entzündungen)
- Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
- Atemwegserkrankungen
- Verletzungen durch Artgenossen
Beinschwächensyndrom

Der riesige Brustmuskel führt zu einer Verlagerung der Körperachse und schon früh machen sich Beinstellungsanomalien, regelrechte Knochenverbiegungen (X- und O-Beine) bemerkbar. Bei manchen Putenhähnen halten die Beine die Last nicht mehr und die Oberschenkelknochen brechen. Zusammen mit verkrümmten Zehen und überlasteten, teils ausgerissenen Bändern in den Beinen und Gelenk- oder Muskelerkrankungen werden diese Bewegungsstörungen als Beinschwächesyndrom bezeichnet.
Veränderungen der Sohlenballen
Vor allem weibliche Puten leiden unter schmerzhaften Veränderungen der Sohlenballen. Die höhere Besatzdichte bei ihrer Haltung (im Vergleich zur Haltung der männlichen Tiere) führt zu einer stärkeren Verschmutzung der Einstreu mit Exkrementen. Die Sohlenballen weichen regelrecht auf und erleichtern die Entstehung von Entzündungen. Zum Mastende zeigen nur noch etwa 1 % der Putenhennen gesunde Fußballen.
Geschwüre und Entzündungen
Das schwere Gewicht, schmerzende Beinveränderungen und Entzündungen führen dazu, dass die Tiere länger auf dem vollgekoteten Boden liegen. Da die riesige Brust kaum mehr mit Federn bedeckt ist (während der Zucht hat sich die Anzahl und Größe der Federn nicht verändert), wird die Brusthaut nicht ausreichend geschützt. Die Folge sind schmerzhafte Brustblasen (mit Flüssigkeit oder Eiter gefüllter entzündeter Brustschleimbeutel und umkapselte Entzündungen in der Haut) und Brustknöpfchen (engl. »Breast Buttons«, rundliche schmerzhafte Hautgeschwüre).
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Bis zu 35 % aller Tierverluste (Tiere, die vor dem Ende der Mast verenden) entstehen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Typisch ist der plötzliche krampfartige Tod durch Risse in der Hauptschlagader. Neben der frühen Schnellwüchsigkeit, zu hohen Temperaturen und Stress wird auch eine Sauerstoffunterversorgung in der Brutmaschine als Ursache diskutiert. Zum Vergleich: Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen bei Wildputen praktisch nicht vor.
Atemwegserkrankungen
Die belastende Haltungsumwelt (vollgekotete Einstreu, Schadgasbelastung in der Stallluft, Stress und fehlende Pflege) und Infektionen durch Bakterien, Viren oder Pilze führen zu schädigenden Entzündungen der Atemwege und des Lungensystems. Besonders das Schadgas Ammoniak, das aus dem Putenkot stammt, führt zu Schleimhautreizungen, die Erkrankungen den Weg bahnen.
Verletzungen durch Artgenossen
Im Gedränge werden die am Boden liegenden Tiere von ihren Artgenossen regelrecht überlaufen, Kratzwunden am ganzen Körper sind die Folge. Hinzu kommen schmerzhafte Pick- und Hackverletzungen, die sich die Puten immer wieder untereinander zufügen. Wunden entstehen vor allem an federlosen Körperstellen, wie Kopf, Hals oder Kloake. Diese Verletzungen stellen Eintrittspforten für Erreger dar – das Risiko für Infektionskrankheiten steigt. Letztlich können die Wunden so schwerwiegend sein, dass sie zum Tod des Tieres führen (Kannibalismus). Diese Verhaltensstörungen stellen gravierende Tierschutzprobleme dar, die sowohl in der Stallhaltung als auch in der Auslaufhaltung vorkommen.
Einige Puten sterben aufgrund der oben beschriebenen Erkrankungen und Verletzungen einen langsamen Tod im Maststall. Die erschöpften Tiere erreichen die Trink- und Futterapparaturen nicht mehr und verdursten in der Folge (seltener: verhungern). Bis zu 13 % der Tiere sterben in Folge von Krankheit, Verletzung oder Verdursten bereits während der Mast oder auf dem Weg zum Schlachthof.
Schlachtung der Puten
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland rund 34,2 Mio. Puten zum Fleischverzehr getötet. Dies macht 29,71% der Geflügelfleischerzeugung aus (Stand 2019).
Transport

Im Mastbetrieb werden die »schlachtreifen« Puten zusammengetrieben, in Transportbehälter gesperrt und auf LKWs verladen. Puten dürfen laut der Tierschutztransportverordnung 12 Stunden ohne Zugang zu Futter und Wasser transportiert werden, obwohl eine generelle Empfehlung besagt, dass Geflügel nicht länger als acht Stunden fasten oder in Behältern transportiert werden sollten. Denn durch den Stress beim Einfangen, Verladen und Transportieren erhöht sich die Stoffwechselrate so sehr, dass die Reserven im Körper schnell erschöpfen. Der ständig herrschende Zeitdruck und fehlende Kontrollen beim Verladen führen zu einem groben Umgang mit den Tieren. Beim Verladen und Transport zum Schlachthof erleiden die Tiere Verletzungen wie schmerzhafte Knochenbrüche und Blutungen.
Schlachtung
Im Schlachtbetrieb müssen die Puten vor der Tötung laut deutscher Tierschutz-Schlachtverordnung betäubt werden. Eingesetzt werden die Gasbetäubung und deutlich häufiger die elektrische Durchströmung im Wasserbad. Das Elektro-Verfahren ermöglicht hohe Schlachtzahlen in kurzer Zeit, ist aber aus Sicht des Tierschutzes mit vielen Nachteilen verbunden.
Elektrobetäubung
Nach der Entnahme der Puten aus den Transportbehältern werden sie kopfüber an den Beinen in Metallbügel einer Förderkette eingehängt. Für die Tiere bedeutet das eine hohe Stressbelastung, die mit Kreislaufproblemen einhergeht. Der Druck der Bügel und die Zugbelastung durch ihr hohes Eigengewicht verursachen starke Schmerzen. Verschlimmert wird die Situation, da fast alle Puten an schmerzhaften Beinveränderungen leiden. Die gestressten Tiere reagieren mit heftigen Abwehrbewegungen und erleiden dabei Verrenkungen und Knochenbrüche. Rücksicht wird keine genommen – Puten dürfen sogar bis zu zwei Minuten kopfüber eingehängt bleiben, obwohl bekannt ist, dass Stress und Schmerzen die anschließende Betäubung erschweren.
Die Förderkette zieht die Tiere automatisch durch das Elektro-Wasserbad. Durch den Strom können starke Muskelkrämpfe und in der Folge Knochenbrüche entstehen. Da außerdem die Flügel vieler Puten so lang sind, dass sie das Wasser vor Eintauchen des Kopfes berühren, erleiden die Tiere schmerzhafte Elektroschocks an den Flügelspitzen vor der Betäubung. Fehlbetäubungen entstehen, wenn die Puten ihren Kopf reflexartig vom Wasser weg ziehen und dieser nicht oder nur unvollständig das elektrisch durchströmte Wasser berührt. Sie bleiben bei Bewusstsein und erleben die anschließende Entblutung mit. Eigentlich müsste das Kontrollpersonal eingreifen und die Tiere nachbetäuben – aus Zeit- und Kostengründen wird der Schlachtprozess jedoch nicht unterbrochen.
Gasbetäubung
Neben der elektrischen Betäubung wird auch Gas für die Betäubung eingesetzt (bei hoher Gaskonzentration wird damit auch zugleich getötet). Da der alleinige Einsatz von Kohlendioxid (CO2) zusammen mit einem Sauerstoffmangel zu panikartigen Erstickungsreaktionen führt, wird ein mehrphasiges Verfahren (Einleitungsphase zur Betäubung, zweite Phase zur Tötung) eingesetzt oder es werden weitere Gase wie Stickstoff und Argon eingemischt.
Mitarbeiter setzen die Transportkäfige mit den Tieren auf ein Fließband, das in einen Tunnel führt. Dabei können die Tiere, die schon auf dem Weg zum Schlachthof in den Transportkäfigen verendet sind, nicht erkannt werden – auch sie werden folglich weiterverarbeitet. Im Tunnel atmen die noch lebenden Tiere das Gas ein und schon nach kurzer Zeit leiden sie unter einem starken Erstickungsgefühl. Zusätzlich reizt das CO2 die Schleimhäute. Nach einer dreiviertel Minute überwiegt die Atemnot, doch die Tiere zeigen noch Abwehrbewegungen und Schmerzreaktionen wie Kopfschütteln, Luftschnappen, Keuchen, heftiges Flügelschlagen und Fluchtversuche. Nach etwas mehr als einer Minute wirkt die Betäubung und die Körper erschlaffen. Dann werden die betäubten Tiere (oder bei der mehrphasigen Methode die getöteten Tiere) aus den Kisten herausgeholt und in eine Förderkette gehängt.
Nach dem Betäubungsschritt werden die Puten entblutet. Ein Mitarbeiter oder ein sogenannter Halsschnittautomat durchtrennt den Hals inklusive der Schlagadern. Anschließend wird die Haut in einer Brühvorrichtung mit heißem Wasser oder Wasserdampf aufgeweicht und eine Rupfmaschine entfernt die Federn.
Vermeidbarkeit und Forderungen
Die Haltung und der Schutz von Mastputen sind in Deutschland, abgesehen von den allgemeinen Vorgaben im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, nicht speziell gesetzlich geregelt. Puten werden außerdem nicht (wie generell »Nutzgeflügel«) im Tierzuchtgesetz beachtet.
Auf nationaler Ebene wurde lediglich im April 2013 auf Basis einer älteren Eckwertevereinbarung aus dem Jahr 1999 die »Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen« verabschiedet. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Putenbranche, die auf rein politischer Ebene bisher nur von Niedersachsen per Erlass übernommen wurde.
In der freiwilligen Vereinbarung überwiegen allgemeine Formulierungen. Die Überzüchtung der Hybridlinien und damit zusammenhängende gesundheitliche Folgen für die Tiere werden nicht adressiert. Die Besatzdichten sind nach wie vor viel zu hoch angesetzt. Insgesamt kann sogar von einer deutlichen Verschlechterung im Gegensatz zur früheren Vereinbarung gesprochen werden:
Zuvor war eine Regelbesatzdichte von 45 kg/m² bei Truthennen und 50 kg/m² bei Truthähnen vereinbart. Diese Besatzdichte durfte nur in Ausnahmefällen auf max. 52 bzw. 58 kg/m² gesteigert werden. Jeder Halter, der sich dem neu beschlossenen aber unkonkreten Gesundheitsprogramm anschließt, darf sich an der höheren Besatzdichte orientieren. Das Angebot eines Außenklimabereichs wirkt auf den ersten Blick als Verbesserung, führt unter den Bedingungen der Vereinbarung jedoch dazu, dass die Besatzdichte insgesamt weiter erhöht werden darf.
Auf Europa-Ebene fehlen noch gesetzliche Tierschutzrichtlinien für Puten, wie das Gutachten »Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung« vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft feststellt.
Es existiert lediglich eine Europaratsempfehlung. Sie erhebt den Anspruch, durch ihre Vorgaben eine Verbesserung des Wohlbefindens einschließlich der Gesundheit der Mastputen zu gewährleisten. Der Alltag in den Mastanlagen zeichnet jedoch ein anderes Bild. Die überwiegend allgemein formulierten Empfehlungen werden kaum umgesetzt.
Forderungen der Albert Schweitzer Stiftung
Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt stellt folgende Mindestforderungen bezüglich der konventionellen Putenhaltung:
- Verwendung weniger überzüchteter Rassen (zur Reduzierung der körperlichen Leiden und der Verhaltensprobleme)
- Verringerung der Besatzdichte auf höchstens 36,5 kg Lebendgewicht pro m² sowie möglichst Zugang zu einem strukturierten gepflegten Auslauf (zur Schaffung von mehr Bewegungsfreiheit und der Reduzierung von Aggressionen)
- strukturierte Ausgestaltung der Ställe, z. B. mit Strohballen, Holzplattformen und Sitzstangen (zur Beschäftigung und als Ruheplätze)
- Bereitstellung vielfältigerer, kalorienärmerer Nahrung (zum Ausleben der nahrungsbezogenen Verhaltensweisen)
- Verbesserung der Stallhygiene, stets trockene Einstreu (Senkung des Risikos für Fußballenentzündungen und Brustveränderungen)
- Maßnahmen für eine intakte Sozialstruktur, beispielsweise Aufzucht der Küken durch erwachsene Hennen
- Putengerechte Beleuchtung (Tag-Nacht-Rhythmus, Beleuchtung mit UV-Spektrum, keine für Vögel als flackernd wahrgenommene herkömmliche Leuchtstofflampen)
- Schlachtung:
- Schlachtbügel die an Gewicht und Größe der Tiere angepasst sind sowie eine langsamere Bandgeschwindigkeit, um im Schlachtprozess jeweils passende Bügel auszusuchen
- kürzere gesetzlich erlaubte Hängezeiten (mindestens unter einer Minute, wie bei Hühnern)
- Alarmsystem bei der Elektro-Wasserbadbetäubung, das ein Unterschreiten der Mindeststromstärke und Spannung anzeigt, jedoch: die Wasserbadmethode sollte generell ersetzt werden durch weniger schmerzhafte und stressverursachende Methode (z. B. Einsatz von nicht aversiven Gasen)
Darüber hinaus fordert die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt ein vollständiges Verbot des Schnabelkürzens. Nach § 6 des deutschen Tierschutzgesetzes ist Schnabelkürzen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Auch die Europaratsempfehlung verbietet grundsätzlich Eingriffe an den Tieren, weicht dieses Verbot jedoch schon im nächsten Absatz durch eine behördlich erteilte Ausnahme auf. Trotzdem wird diese Amputation bei den Puten standardmäßig durchgeführt und das hauptsächlich, um die durch Verhaltensstörungen entstandenen Tierverluste mit möglichst geringem Kostenaufwand zu reduzieren. Gänzlich verhindert werden Verletzungen dadurch jedoch nicht.
Insgesamt widersprechen die gängigen Bedingungen in der Putenmast dem Gedanken von § 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Tierschutzgesetzes, nach denen Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen gehalten werden sowie die Möglichkeit der Tiere zur artgemäßen Bewegung nicht derart eingeschränkt werden dürfen, dass ihnen Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Was können Sie tun?
- Wenn sie die oben beschriebenen Zustände nicht unterstützen wollen, essen Sie kein Putenfleisch. Auch von Bio-Pute ist abzuraten, da nicht auszuschließen ist, dass die Tiere in Biohaltung ähnlich schlimmen Bedingungen ausgesetzt werden. Zudem werden für die Biofleischherstellung in der Regel die gleichen unter Krankheiten leidenden Hochleistungsrassen eingesetzt.
- Wenn Sie Ihre Ernährung generell tierfreundlicher gestalten möchten, stehen wir Ihnen dabei gerne mit unserer Vegan Taste Week zur Seite.
- Helfen Sie aktiv oder passiv dabei, die quälerische Tierhaltung abzuschaffen.
Zahlenquellen
Die Zahlen zum Tierbestand und zur Schlachtung beruhen auf Angaben des Statistischen Bundesamtes.
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