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Pferdeblut für Schweinefleisch

Das Thema beschäftigt Tierschützer:innen und Öffentlichkeit schon eine Weile: Im Herbst 2015 hatten der Tierschutzbund Zürich und die Animal Welfare Foundation in Südamerika einen Skandal aufgedeckt. Auf sogenannten »Blutfarmen« werden schwangeren Stuten große Mengen Blut abgezapft. Das im Blut enthaltene Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) nutzen in etlichen Ländern vor allem Schweinezuchtbetriebe, so auch in Deutschland. Mit Videoaufzeichnungen konnten die Tierschützer:innen dokumentieren, wie auf Pferdefarmen in Uruguay und Argentinien Angestellte Tausende Stuten misshandeln.

Systematische Quälerei

Nach Aussagen der Tierschutzorganisationen nimmt man den Tieren auf den Stutenfarmen zu schnell zu viel Blut ab: Bis zu zehn Liter pro Woche. Das ist in etwa ein Viertel der gesamten Blutmenge eines Pferds. Auf den Filmaufnahmen sieht man, wie teils extrem geschwächte Pferde brutale Schläge und Tritte erleiden.

Die ungeborenen Fohlen der Stuten sind ein unerwünschtes Nebenprodukt der PMSG-Produktion. Sie sterben oft schon aufgrund der Strapazen und des andauernden Blutentzugs im Mutterleib. Ansonsten tötet man sie meist durch eine Abtreibung per Hand, sobald die schwangeren Stuten kein PMSG mehr produzieren. So kann man die Stuten schnellstmöglich wieder decken und zur erneuten PMSG-Bildung anregen. Sind die Stuten nicht mehr in der Lage, schnell genug schwanger zu werden, gehen sie in die Schlachtung. Das Pferdefleisch aus diesen Betrieben gelangt auch in die EU.

Die Position der Bundesregierung

Anfang Mai 2017 hat die Bundesregierung eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu den Produktionsbedingungen von PMSG beantwortet. Darin heißt es, das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) habe mit den betreffenden Ländern in Südamerika über das Thema gesprochen. Anlass seien die Presseberichte aus dem Jahr 2015 über die Produktionsbedingungen von PMSG gewesen. Das BMEL habe sich zudem bereits 2016 an die EU-Kommission gewandt. Inspektionen vor Ort sollten konkrete Informationen über den Umgang mit den trächtigen Stuten liefern. Zudem sei auf Verbesserungen bei Haltung und Nutzung der Pferde hinzuwirken. Eine systematische Abtreibung der Fohlen sei mit dem hiesigen Tierschutzverständnis unvereinbar und in ethischer Hinsicht problematisch, heißt es weiter.

Trotz der Rechercheergebnisse der Tierschutzorganisationen fällt das Fazit der Regierung zurückhaltend aus: »Insgesamt reichen die derzeit vorliegenden Informationen allerdings für eine abschließende Bewertung der Tiergerechtheit des Gewinnungsprozesses nicht aus.«

Die Folgen der Misshandlungen

Die Abnahme großer Blutmengen führt bei den Tieren zu einem hohen Verlust an Flüssigkeit, roten Blutkörperchen und Proteinen. Auf Dauer sinkt die Immunabwehr. Es kommt zu Erschöpfung, Abmagerung, Blutarmut und Fehlgeburten. Nach letzteren erhalten die Stuten keinerlei tierärztliche Behandlung. Ein qualvoller Tod kann die Folge sein. Laut den Recherchen der Tierschützer:innen sterben aufgrund des brutalen Umgangs und der auszehrenden Prozedur der Blutabnahme jährlich 30 % der Stuten.

Wenig Kontrolle und fehlende Regelungen

Für die Haltung von Pferden zur Blutgewinnung in Europa gibt es Tierschutzauflagen. In Südamerika fehlen hingegen solche Regelungen für die Blutproduktion und es gab bislang auch keine oder kaum Kontrollen auf den Stutenfarmen. Das dürfte die Produktion dort deutlich günstiger und noch rentabler machen. Denn ohnedies hat PMSG einen großen finanziellen Wert. 100 Gramm des Hormons sollen rund 900.000 Dollar kosten. Über die hierzulande angewendeten Mengen von PMSG gibt es keine genauen Daten. Derzeit besteht auch keine Meldepflicht über den Einsatz von PMSG in der EU.

Der Nutzen für die Schweinezucht

In Deutschland sind sechs Arzneimittel mit dem Wirkstoff PMSG zugelassen. Sie dienen allein oder in Kombination mit anderen Hormonpräparaten dazu, den Sexualzyklus bei Schweinen und Wiederkäuern (Rindern, Schafen und Ziegen) auszulösen oder zu synchronisieren. Systematisch wird das Mittel hierzulande in der Ferkelproduktion genutzt.

Für Schweinezüchter ist das Hormon aus mehreren Gründen vorteilhaft. Mit den Präparaten dürfen sie ohne individuellen Behandlungsgrund ganze Tiergruppen behandeln. Ihre Jungsauen werden dadurch früher und zudem zeitgleich geschlechtsreif.

Auch nach dem Absetzen der Ferkel werden die Muttersauen durch das Spritzen des Medikaments wieder schneller brünstig. Ihr Eisprung erfolgt früher und sie werden schneller wieder schwanger. Die Sauen können zudem gleichzeitig besamt werden und der Zeitpunkt der Geburten ist genau planbar.

Ferkel wie auf Bestellung

Die Ferkel in den Zuchtbetrieben kommen durch die hormonelle Synchronisation alle etwa zur gleichen Zeit auf die Welt. So können die Züchter sie in der gewünschten Anzahl an die Aufzuchts- bzw. Mastbetriebe liefern. Diese können dadurch vermeiden, Tiere aus mehreren Betrieben beziehen zu müssen, die sich möglicherweise gegenseitig mit Keimen aus den anderen Betrieben anstecken. Das verringere den Einsatz von Medikamenten, argumentieren die Verfechter:innen des Wirkstoffs. Das synchronisierte Verhalten der Tiere vereinfacht zudem die Betriebsabläufe wie die Reinigung von Stallabteilen und die Ferkelversorgung.

Durch die von dem Hormon PMSG ausgelöste Einnistung besonders vieler Eizellen in der Gebärmutter kann es zu vermehrten Fehlgeburten kommen. Die Sauen bekommen dennoch mehr Ferkel pro Wurf. Dadurch kann es dazu kommen, dass die Sauen mehr Ferkel als Zitzen haben und nicht alle versorgen können. Wie in der Vergangenheit aufgedeckt wurde, werden überzählige Ferkel regelmäßig getötet.

Es gibt Alternativen

Nicht alle Zuchtbetriebe nutzen Hormone, um ihre Sauen zu synchronisieren. Auf Bio-Betrieben ist deren Einsatz ohnehin nicht erlaubt. Mittels geeigneter Licht- und Fütterungszyklen sowie Eberkontakt beeinflussen diese Betriebe den Zyklus der Sauen. Diese Art ist allerdings aufwändiger, auch bei den Geburten, da die Sauen in einem größeren Zeitraum abferkeln. Wollen Betriebe nicht auf eine hormonelle Steuerung verzichten, können sie synthetisch hergestellte Wirkstoffe einsetzen. Derzeit gibt es 36 Arzneimittel, die Züchter:innen alternativ zu PMSG-haltigen Präparaten verwenden können.

Bisherige Konsequenzen des Skandals

Die Medienberichten über den brutalen Umgang mit trächtigen Stuten in Südamerika hatten in mehreren Ländern zu teils heftiger Kritik geführt. Die Regierungen der betroffenen Länder Uruguay und Argentinien gingen den Vorwürfen nach und haben sie zu großen Teilen bestätigt.

Anders als etwa der Schweizer Bauernverband lehnt es der Deutsche Bauernverband ab, seine Mitglieder zum Verzicht auf PMSG aufzufordern. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz fordert dagegen von der EU einen sofortigen Importstopp von PMSG aus Südamerika. Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte nimmt die Pharmaunternehmen in die Verantwortung. Sie hätten dafür zu sorgen, dass die Haltung und der Umgang mit den Stuten deutschen bzw. europäischen Tierschutzstandards genüge. Abtreibungen hält der Verband für grundsätzlich nicht hinnehmbar. Der Hersteller MSD bezieht nach eigenen Angaben das Blutplasma zur PMSG-Gewinnung für den europäischen Markt inzwischen nur noch aus Europa.

Im Mai 2016 haben die Agrarressorts der Länder den Bund gebeten, darauf hinzuwirken, dass auch in außereuropäischen Produktionsländern die Tierschutzstandards Deutschlands bzw. der EU einzuhalten sind. Sollte die Produktion von PMSG nicht mit hiesigem Recht vereinbar sein, wäre ein Einfuhr- und Anwendungsverbot auf EU- bzw. auf nationaler Ebene zu prüfen. Die Europäische Kommission plant jedoch derzeit kein Einfuhrverbot des Hormons PMSG.

Unser Fazit

Uns liegen keine Informationen vor, dass sich die Zustände auf den Stutenfarmen in Südamerika inzwischen im Sinne der Tiere wesentlich geändert haben. Auch der für die Bilder aus Südamerika verantwortliche Tierschützer York Ditfurth vermutet, dass es auch anderthalb Jahre nach den Enthüllungen um das Wohl der Tiere höchstwahrscheinlich nicht besser steht.

Unabhängig davon kritisieren wir grundsätzlich die Nutzung von Pferdeblut, um die Produktion von Schweinefleisch weiter zu steigern sowie auch die Schweinemast an sich.


Nachtrag (5. Februar 2018)

Der Verein Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft (TfvL) hat 2017 ein Gespräch mit Vertretern der relevanten Pharmafirmen vereinbart, die PMSG-Präparate in Deutschland vermarkten. Das Gespräch fand im November 2017 gemeinsam mit der Bundestierärztekammer (BTK), dem Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) statt.

Die Vertreter von zwei der drei anwesenden Unternehmen vertraten die Ansicht, dass jährlich zwei Abtreibungen bei jeder Stute vom Tierschutzrecht nicht zu beanstanden seien. In den mit ihnen zusammenarbeitenden Stutenfarmen würde zudem gemäß geltender Richtlinien zur Arzneimittelherstellung gearbeitet.

Der TfvL forderte die beiden Pharmafirmen auf, stärker als bisher auf die tierschutzgerechte Behandlung der Stuten vor Ort zu bestehen. Zudem sollen sie eine Erklärung abgeben, künftig keine Rohstoffe mehr aus Betrieben zu beziehen, die routinemäßige Abtreibungen vornehmen.

Bis entsprechende Garantien der Unternehmen vorliegen, appelliert der TfvL an die deutsche Tierärzteschaft, auf Einkauf, Anwendung und Abgabe von PMSG-Präparaten zu verzichten und Alternativen zu nutzen.

Nachtrag (27. Juli 2018)

Das deutsche Pharmaunternehmen IDT Biologika gab am 17. Juli in einer Pressemeldung bekannt, von nun an nur noch PMSG aus europäischer Pferdehaltung zu beziehen. Am selben Tag war die Veröffentlichung aktuellster Rechercheergebnisse des Tierschutzbunds Zürich und der Animal Welfare Foundation im Politmagazin Fakt (ARD) geplant. Diese wurde daraufhin verschoben.

Die IDT Biologika verbuchte 2017 nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 241 Millionen Euro und produziert weltweit an neun Standorten. Der Hauptsitz befindet sich in Dessau-Roßlau. Das Unternehmen steht bereits länger im Fokus der Tierschützer:innen. Seit Ende 2017 liegt ein Strafantrag der Animal Welfare Foundation gegen die IDT Biologika bei der Staatsanwaltschaft in Dessau vor. Der Vorwurf lautet Beihilfe zur Tierquälerei, da davon auszugehen ist, dass dem Unternehmen die Zustände in den Pferdefarmen bekannt sind.

Ein Sprecher der IDT betonte zwar, es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Entscheidung und dem TV-Beitrag oder den Protesten. York Ditfurth, Präsident des Tierschutzbunds Zürich, sieht das aber anders: »Unser Druck hat sich ausgezahlt. Jetzt müssen wir die anderen Firmen stoppen!«

Immer noch beziehen die Pharmaunternehmen Hipra (Spanien), Ceva (Frankreich) und Zoetis (USA) PMSG aus südamerikanischen Quellen. Die weltweit agierenden Konzerne haben jeweils auch Niederlassungen in Deutschland. Für die Branche sind die neuesten Entwicklungen ein wichtiges Zeichen.

Nachtrag (17.Oktober 2018)

Im August veröffentlichten der Tierschutzbund Zürich und die Animal Welfare Foundation ihr neuestes Videomaterial, das bereits für Juli angekündigt worden war. Auch das Politmagazin Fakt holte die Ausstrahlung nach (siehe Nachtrag vom 26. Juli). Die Aufnahmen entstanden Anfang 2018 und bezeugen, dass sich die Zustände auf den Blutfarmen seit den ersten Recherchen im Jahr 2015 nicht gebessert haben, sondern »die Brutalität gegenüber 2015 eher zugenommen hat«, so York Ditfurth, Präsident des Tierschutzbunds Zürich.

Laut der Pressemitteilung des Tierschutzbunds Zürich und der Animal Welfare Foundation kündigte am 2. August nun auch das Pharmaunternehmen Ceva aus Frankreich an, den Import südamerikanischen PMSGs zu stoppen. Abnehmer sind nur noch die Unternehmen Hipra und Zoetis.

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