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Schlachthof-Bericht: Erfahrungen

Der folgende Bericht ist entstanden, nachdem eine Tierärztin eins unserer Schlachthof-Interviews gelesen und sich an uns gewendet hat.

Vor etwa vier Jahren habe ich als Tiermedizinstudentin auf einem großen Schlachthof (zugehörig zu einem der größten Fleischproduzenten Deutschlands) mein dreiwöchiges Pflichtpraktikum absolviert. Zu dem Schlachthof gehörte ein großer Betrieb nur für Schweine, in dem ca. 1.000 Tiere pro Tag geschlachtet wurden. Zweimal in der Woche ist man als Praktikant zudem auf einen zum Betrieb gehörigen kleineren Hof gefahren, auf dem neben Schweinen auch Rinder sowie ab und an Schafe geschlachtet wurden.

Ich sollte in der Zeit alle Bereiche kennenlernen, in denen ein Tierarzt auf einem Schlachthof tätig ist. So war ich bei der Ankunft der Tiere, ihrer Tötung, der Fleischbeschau, bis zur Zerlegung mit dabei. Am häufigsten stand ich am Fließband. Dort musste ich Lymphknoten anschneiden (um Hinweise auf bestimmte Entzündungen und Krankheiten zu erhalten) und die Tierkörper nach Krankheiten untersuchen.

Das Töten der Tiere, das Entbluten, die Zerteilung der Tierkörper und das Waschen der Därme (meist in 10 Stunden-Schichten in einem dunklen, stickigen Raum) waren einige Monate zuvor noch Aufgaben von deutschen Mitarbeitern gewesen. Nachdem sich diese aber geweigert hatten, für einen Stundenlohn von 5 Euro zu arbeiten, wurden für diese Aufgaben polnische Aushilfsmitarbeiter eingestellt. Diese wurden zuvor in ihrem Heimatland in betriebsfremden Bereichen eingesetzt (Zustelldienst etc.) und hatten die Tätigkeit angeblich nur per Video gelernt. Diese Mitarbeiter sprachen so gut wie kein Deutsch, so dass sie sehr isoliert von uns waren. Auch konnten Verbesserungsvorschläge (z. B. wegen unzureichender Betäubung der Tiere) schlecht kommuniziert werden. Bezahlt wurden diese Mitarbeiter nach Akkordlohn, sodass sie nicht wie die deutschen Arbeiter Pausen einhalten wollten. Jährlich wurden diese Mitarbeiter aufgrund der Aufenthaltsbestimmungen gegen neue ausgetauscht.

Zustand der Tiere auf dem Schlachthof

Bezüglich des Gesundheitszustandes der angelieferten Tiere habe ich keinen Vergleich zu anderen Betrieben. Ich denke, es war das gewöhnliche Mittelmaß, ein Durchschnitt von gesunden Tieren ohne Auffälligkeiten und Tieren aus Höfen, bei denen man gehäuft Abszesse vorfand. Auffallend war, dass die Schweine sehr häufig Spulwürmer hatten. Nicht selten bewegten sich die Därme lebhaft. Ein Mitarbeiter zeigte mir einmal ein anschauliches Beispiel, indem er einen Darm öffnete, aus dem massenhaft Würmer krochen. Ansonsten hatten die meisten Schweine Veränderungen an der Lunge, was wohl auf die schlechten Luftverhältnisse oder auf zurückliegende Entzündungen bzw. Infektionen zurückzuführen war. Bei den Rindern haben wir in der Leber häufig Auffälligkeiten vorgefunden, die auf Leberegelbefall hinwiesen. Zeigten Tiere bei der Fleischbeschau zu viele Veränderungen, wurden sie aussortiert, d. h. als nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet eingestuft. Wie häufig dies geschah, kann ich heute leider nicht mehr beurteilen. Bezüglich der Untersuchung der Tierkörper am Fließband muss ich hinzufügen, dass sich inzwischen scheinbar einiges geändert hat und eine rein visuelle Fleischbeschau auf Schlachthöfen eingeführt wurde. Während zuvor das Fleisch durch Abtasten und Anschneiden von Lymphknoten und Herz auf Krankheiten untersucht wurde, muss nun nur noch die Oberfläche des Fleischs betrachtet werden.

Während meines Praktikums war ein Amtstierarzt immer am Fließband dabei und hat die Tiere gemeinsam mit den Fleischbeschauern begutachtet. Er äußerte, recht resigniert zu sein, was die Reaktionen auf seine Verbesserungsvorschläge anging. Ein anderer Tierarzt, der amtliche Leiter der Abteilung, schien hingegen bemüht zu sein und wollte dafür sorgen, dass alles richtig ablief. Mit ihm haben wir festgestellt, dass bei jedem zehnten(!) geschlachteten Schwein Wirbelbrüche vorlagen. Diese Wirbelbrüche können – so wurde mir erklärt – die Folge einer fehlerhaften Betäubung sein. (Eine zu hohe Spannung oder das Ansetzen der Betäubungszange im Schulterbereich oder der Schnauze anstatt an den Schläfen, führt zu heftigen Muskelkontraktionen und damit häufig zu Wirbelbrüchen.) Der leitende Amtstierarzt wollte diesen Missstand mit seinen Kollegen besprechen und sich für Verbesserungen einsetzen. Ob sich inzwischen etwas geändert hat, kann ich nicht sagen.

Die Rinder in dem kleineren Schlachthof tötete ein Mitarbeiter per Bolzenschuss. Hier konnte ich bei jedem viertem(!) Rind miterleben, dass die Tiere beim Ausbluten Abwehrreaktionen zeigten und nach Luft schnappten. Ein Studentenkollege und ich haben dies als Kritik angebracht. Eine Fleischbeschauerin meinte nur, dass seien die physiologischen Zuckungen, die auch post mortem auftreten können. Eine Tierärztin meinte aber, dass dies nicht so sei. Sie unternahm allerdings auch nichts gegen die unzureichenden Betäubungen. Für uns war deutlich der Unterschied zwischen den Muskelzuckungen und Beinbewegungen post mortem und diesen Abwehrbewegungen zu erkennen, da sich die Tiere, als sie bereits mit der Hintergliedmaße aufgehängt waren, regelrecht aufbäumten und dann bei anzunehmendem Bewusstsein mittels Halsschnitt entblutet wurden.

Von den vier Tierärzten, die ich während des Praktikums näher kennenlernte, war eine Vegetarierin. Eine andere verzehrte nur Fleisch von Tieren, die sie selber gejagt hatte oder Produkte einer ihr bekannten Metzgerei. Das Fleisch von dem Schlachthof, auf dem sie arbeiteten, aß keiner der Tierärzte. Es schienen sich auch alle Veterinäre einig zu sein, dass die Bedingungen völlig unzureichend in Bezug auf das Wohlergehen der Tiere waren.

Rückblick

Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, alle Bereiche eines Schlachthofs ansehen zu können und mehr über die Abläufe, die Probleme etc. lernen zu dürfen. Durch das Tiermedizinstudium geschult, fühlte ich mich auch gut vorbereitet, um möglichst rational an das Praktikum heranzugehen. Dennoch war ich von der Unbekümmertheit einiger Kommilitonen überrascht, die der Meinung waren, dass Fehlbetäubungen und andere Missstände normal seien und man nichts dagegen unternehmen könne. Sie essen auch heute noch Fleisch aus dem Supermarkt und vom Discounter und haben scheinbar keine Konsequenzen aus dem Praktikum gezogen. Eine Kommilitonin war auf einem annähernd gleich großen Schweineschlachthof, auf dem die Schweine mit einem CO2-Karussel betäubt wurden. Das fand sie in Ordnung, da sie der Meinung war, die Tiere würden ruhig einschlafen. Dass CO2 Atemnot und Panik auslösen kann, war ihr nicht bewusst. Sie konnte dies auf dem Schlachthof auch nicht erkennen, da die Gaseinleitung im Karussell nicht unter Sichtkontrolle stattfand. Da hierbei mehrere Tiere gleichzeitig betäubt werden, muss die Tötung danach schnell erfolgen. Wenn zu viel Zeit verstreicht, erlangen die Schweine womöglich das Bewusstsein wieder.

Kritisch fand ich auch, dass in den Schlachthöfen, die ich gesehen habe, die Mitarbeiter immer die gleiche Aufgabe hatten. Früher, als noch keine Aushilfsarbeiter angestellt waren, wurden einige Plätze rotiert. Das hatte sich nun geändert, sodass immer die gleiche Person von morgens bis spät mittags ein Schwein nach dem anderen mit Elektrozange betäubte, während eine andere einen Halsschnitt nach dem anderen zum Ausbluten durchführte. Dies geht mit Sicherheit nicht spurlos an diesen Arbeitern vorbei. Abgesehen von den schlechten Arbeitszeiten und der Bezahlung. Ich bin in den Schlachthof gegangen in der Annahme, dass es nur den Tieren dort möglicherweise schlecht geht, aber es wurden sowohl die Tiere als auch die Menschen dort unwürdig behandelt.

Ich habe während und nach dem Praktikum mit vielen Freunden und Bekannten über die Umstände geredet, damit sie aus erster Hand mehr über die Herkunft ihres Essens erfahren. Neben ehrlichem Interesse und Bemühungen, etwas an der eigenen Ernährungsweise zu ändern, wurde mir aber auch häufig Gleichgültigkeit entgegengebracht. Was ist noch nötig, damit diese Umstände als schlimm und nicht tragbar anerkannt werden?

Schlachthof-Interviews

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