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Kritischer Agrarbericht 2016

Zu Beginn des Jahres erschien der Kritische Agrarbericht 2016 und damit eine weitere Ausgabe der alljährlichen Stellungnahme des AgrarBündnis e. V. zur aktuellen Agrardebatte. Insgesamt 47 Beiträge von 66 Autorinnen und Autoren liefern auch diesmal wieder viele Hintergrundinformationen und zahlreiche agrarpolitische Forderungen – in diesem Jahr rund um das Schwerpunktthema »Wachstum«. Wir fassen nachfolgend – mit Fokus auf den Tierschutz – einige der wichtigsten Informationen des diesjährigen Berichts zusammen.

Schwerpunktthema: Wachstum

Bereits im Editorial des Kritischen Agrarberichts 2016 wird klar Position bezogen: Wirtschaftliches Wachstum »als Allheilmittel zur Krisenbewältigung« stelle mittlerweile nicht nur generell, sondern speziell auch für die Landwirtschaft keinen zukunftsfähigen politischen Ansatz mehr dar. Denn mit »dem agrarindustriellen Wachstum der Betriebe, dem Immer-schneller-immer-mehr-Produzieren, wachsen die Probleme mit: beim Tierschutz, bei der Nährstoffversorgung der Böden, beim Einsatz von Pestiziden, beim Schutz der biologischen Vielfalt, aber auch bei der Arbeitssituation der Menschen, die auf den Betrieben leben.«

Als besonders problematisch tritt sodann aus mehreren Beiträgen des Agrarberichts die aktuell noch immer wachsende Tierproduktion hervor:

  • Mit einer steigenden Anzahl von gehaltenen Tieren und einer abnehmenden Anzahl der Betriebe entstehen in Deutschland »zunehmend industriell anmutende Megabetriebe mit hunderttausenden Tieren«, die aus Tierschutzsicht mit massiven Einschränkungen für die Tiere einhergehen.
  • Eine »zunehmende Effizienz aller Abläufe in der Tierhaltung, immer größere Tierbestände und eine weiterhin angestrebte züchterische Steigerung der Leistung« bedingen, dass jährlich »millionenfach überzählige Ferkel, männliche Küken sowie ungeborene Kälber trächtiger Kühe getötet« werden – und dies allein aus ökonomischen Gründen.
  • Immer mehr Tiere, die immer konzentrierter (in einer Region) gehalten werden, bedeuten auch zunehmend mehr Gülle und damit auch nachweislich mehr Stickstoffeinträge u. a. ins Grundwasser: Schon jetzt steht die »Qualität unseres Trinkwassers auf dem Spiel«. Hinzu kommen Medikamentenrückstände in der Gülle, die durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung bedingt werden: Antibiotikaresistenzen und die Entstehung multiresistenter Keime können die Folge sein und zum »Gesundheitsrisiko für Menschen werden.«
  • Ein stetig vorangetriebenes Wachstum der Tierproduktion zur Befriedigung der deutschen und europäischen Exportorientierung hat u. a. auch »fatale Auswirkungen […] auf die Märkte im globalen Süden«: Vor allem steigende Exporte von Milch und Milchprodukten tragen derzeit dazu bei, dass in Entwicklungsländern keine tragfähige und Existenzen sichernde lokale Produktion aufgebaut werden kann – zentrale entwicklungspolitische Ziele zur Ernährungssicherung werden damit stark gefährdet.

Tierschutz: auch eine Frage der Bestandsgröße

Dass ein Wachstum insbesondere von Betriebs- und Tierbestandsgrößen mit erheblichen Tierschutzdefiziten einhergeht, wird an mehreren Stellen des Kritischen Agrarberichts 2016 angedeutet und mit dem Beitrag »Tierwohl – auch eine Frage der Bestandsgröße!« noch einmal besonders hervorgehoben. Anders als von agrarindustrieller Seite gerne behauptet, gibt es dem Beitrag zufolge sehr wohl »Hinweise und auch eindeutige Belege zum Zusammenhang von Tierwohl und Bestandsgröße«. Verwiesen wird hierbei auf Erkenntnisse aus der Haltung von Kühen (mit einer zunehmenden Bestandsgröße sinkt die Wahrscheinlichkeit für Weidegang), Schweinen (je größer die Bestände, desto weniger Stroh wird eingesetzt; außerdem: steigendes Risiko für die Entstehung und Verbreitung multiresistenter Keime) und Hühnern (je größer die Bestände, desto höher der Medikamenteneinsatz), gefordert werden u. a. Bestandsobergrenzen.

Darüber hinaus nimmt der Agrarbericht alle wesentlichen (politischen) Entwicklungen des vergangenen Jahres in den Blick und geht dabei u. a. auf das Gutachten zur »Nutztierhaltung« des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (WBA beim BMEL) ein sowie auf die Entwicklungen bei verschiedenen Tierarten (s. dazu auch unseren eigenen Jahresrückblick zum Tierschutzjahr 2015). Von Hinweisen auf viele kleinere positive Entwicklungen abgesehen lässt auch der Kritische Agrarbericht 2016 keinen Zweifel daran, dass in Sachen Tierschutz noch viel zu tun bleibt.

Vegan – ein »Megatrend«

Immer mehr Menschen entscheiden sich in Deutschland für eine flexitarische, vegetarische oder vegane Ernährung, die Umsätze mit vegetarischen und veganen Produkten steigen – mit diesem Befund bescheinigt der diesjährige Agrarbericht insbesondere der veganen Ernährung den Status als »Megatrend«, der sich auch zunehmend mehr in Kochbüchern, in den Medien und in Kochshows widerspiegelt. Besonders erfreulich ist dabei, dass die vegane Ernährung im Bericht nicht nur als eine Form des Widerstands gegen die konventionelle Landwirtschaft erwähnt, sondern eine »Einschränkung des Konsums tierischer Produkte« auch als »unabdingbar« für bedeutend mehr Tierschutz hervorgehoben wird.

Als »interessante Herausforderung« wird die zunehmende Nachfrage nach veganen Produkten insbesondere für den Bio-Bereich hervorgehoben, jedoch mit einer eher zwiespältigen Bewertung: Zwar könnte der Vegan-Boom dem Agrarbericht zufolge dem Biomarkt »weiteres Wachstum bescheren«, doch gäbe es mit Blick auf die bio-vegane Landwirtschaft auch »Risiken der Verbindung Bio & Vegan«: Diese Form der Landwirtschaft könne gelingen, ein »Konzept für die gesamte Vielfalt der ökologischen Landwirtschaft« sei sie jedoch nicht. Weshalb genau sie kein solches Konzept sein könne, wird im Agrarbericht nicht weiter erklärt.

Fazit

Für den Bereich des Tierschutzes liefert auch der Kritische Agrarbericht 2016 wieder viele wichtige Fakten und Forderungen, die letztlich auf ein starkes Zurückfahren der Tierproduktion und des Tierkonsums hinauslaufen. Dass insbesondere das Thema »vegan« wieder mehrfach Eingang in den Bericht gefunden hat, ist sehr zu begrüßen. Allerdings möchten wir dazu abschließend noch anregen, die eher verhaltene Bewertung der bio-veganen Landwirtschaft noch einmal zu überdenken und auch diese Form der Landwirtschaft eher als Chance zu sehen:

Dies mitunter deshalb, da an anderer Stelle des Agrarberichts auch für den als vielfältiger bewerteten Ökolandbau aufgezeigt wird, dass auch hier noch viele Probleme bestehen. Um diese zu beseitigen, wird empfohlen »breite Allianzen mit der Gesellschaft, der Wirtschaft und mit anderen bäuerlichen Organisationen, die nach nachhaltigen Lösungen suchen« einzugehen und »sich stärker auf gemeinsame Interessen zu besinnen, statt sich durch Unterschiede oft missionarisch abzugrenzen.« In diesem Sinne wäre aus unserer Sicht auch eine weitere, noch intensivere und vorurteilsfreiere Beschäftigung mit der bio-veganen Landwirtschaft mehr als wünschenswert.

Der Kritische Agrarbericht 2016 behandelt neben den hier angesprochenen Themen auch viele weitere wichtige Problemfelder wie etwa »Glyphosat«, »TTIP und CETA« und »Gentechnik«. Hinweise zu den Bestellmöglichkeiten der Druckausgabe sowie eine große Auswahl an kostenfreien Onlineartikeln auch aus der aktuellen Ausgabe erhalten Sie hier.

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