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»Agrar & Ernährung« – ein Zukunftsdialog?

Zukunftsdialog Agrar & Ernährung
Zukunftsdialog © lassedesignen – Fotolia

Am 19.05. fand in Berlin ein von der Verlagsgruppe »DIE ZEIT« und der »agrarzeitung« veranstalteter Zukunftsdialog »Agrar & Ernährung« statt. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung ließen die Nennung des Premiumpartners (BASF) und Förderers (Nestlé) sowie ein Blick auf die eingeladenen Sprecher befürchten, dass die Veranstaltung kaum dazu beitragen würde, vor allem auch die kritischen Aspekte der gegenwärtigen Lebensmittelproduktion ausgewogen und hinreichend zu beleuchten – eine Befürchtung, die sich im Verlauf der Veranstaltung schnell bestätigte.

Medientrainings und ein Vertreter der absoluten Wahrheit

Ein erster Themenblock der Veranstaltung wurde mit einer Feststellung und einer Frage eingeleitet: Zwischen dem Verbraucher, der sich meist ein idyllisches Bild von der Landwirtschaft mache, und der widersprechenden Realität einer hochtechnisierten Agrarwirtschaft herrsche gegenwärtig eine tiefe Kluft – wie könne diese verringert werden? Eine erste Antwort gab von wissenschaftlich neutraler Seite der Medien- und Kommunikationsexperte Norbert Bolz: u. a. durch Medientrainings. So könnten auch Agrarverantwortliche bei öffentlichen Auftritten eine bessere Figur abgeben. Zudem empfahl er das »Anzapfen der Intelligenz« der Verbraucher, im Zuge ihrer verstärkten Einbindung in grundsätzliche Entscheidungsprozesse.

Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Peter Bleser, der sich mit Nachdruck für die industrielle Landwirtschaft und die starke Exportorientierung Deutschlands aussprach, fiel etwas anders aus: die Kluft zum Verbraucher, der als Mensch u. a. nach »Führung« suche, könne zwar auch mit Dialog (auch mit Tierschutz- und Umweltverbänden), vor allem aber mit Fakten und der Begeisterung für die »Wahrheit« überbrückt werden. Wie groß der eigene Wahrheitsanspruch Blesers tatsächlich zu sein scheint, blitzte kurz in einer zwar wohl eher scherzhaft gemeinten, letztlich aber doch denkwürdigen Bemerkung auf: »Der Papst und ich haben das gleiche Problem: Wir sind beide nur Stellvertreter.«

Herkulesaufgabe und Webcam-Bilder

Zwar wurden in der folgenden Podiumsdiskussion über den niedersächsischen Agrarminister Christian Meyer auch gewichtige Gegenargumente zu Peter Blesers Ansichten geäußert und auch Themen wie Tier- und Umweltschutz angesprochen, doch blieb letztlich - vor allem auch aufgrund der leider wenig nachbohrenden Fragen der Moderatorin - eine eher agrarindustrielle Meinung im Raum stehen. Eine Meinung, die schon mit dem zweiten Themenblock »Moderne Landwirtschaft kommunizieren – eine Herkulesaufgabe?« kaum mehr infrage gestellt werden konnte, da hier von vornherein eigentlich nur noch danach gefragt wurde, wie das Bild der agrarindustriell geprägten Landwirtschaft am besten in der Gesellschaft verankert werden könne.

Der bemerkenswerteste Beitrag in diesem Themenblock kam, im Anschluss an einen lobbyreifen Vortrag von Markus Heldt (BASF SE), der seinen Arbeitgeber explizit als »Freund der Landwirte« bewarb, vom Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Werner Schwarz:

Dieser zeigte aktuelle Webcam-Bilder aus seinem Sauenstall und betonte, dass es ihm wichtig sei, andere Bilder zu präsentieren, als es Tierschutzorganisationen täten, die stets nur unhaltbare Zustände aufzeigten. Eine verwunderliche Aussage, wenn man davon ausgeht, dass selbst die Zustände in dem von ihm gezeigten Stall allein schon mit Blick auf die auch hier nicht vorhandene Bewegungsfreiheit der Sauen durchaus als unhaltbar gelten darf. Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) warf zudem zu Recht ein, dass es in den meisten Ställen Deutschlands ganz und gar nicht so aussieht wie in Schwarz‘ Stall – ein Einwurf, der mit großer Unruhe und Rufen wie »das stimmt doch nicht« und »das ist doch gelogen« von einem großen, offensichtlich der Agrarindustrie zugeneigtem Teil des Publikums quittiert wurde.

Trends erkannt? Fehlanzeige!

Ein dritter Themenblock beschäftigte sich schließlich mit der Frage nach dem Erkennen und der gewinnbringenden Vermarktung von Trends. Wer hier auf eine Diskussion von derzeit bestimmenden Ernährungstrends wie der vegetarischen und vor allem auch veganen Ernährung wartete, wurde gänzlich enttäuscht. Stattdessen wurde das Publikum von einem Vertreter der Alnatura Produktions- und Handels GmbH darüber informiert, dass es Aufgabe der Wirtschaft sei, den Verbraucher zu leiten und zu erziehen, von einem Trendforscher der FH Gelsenkirchen konnte man lernen, dass Menschen am besten über die »Sympathie« des Kommunikators und nicht etwa über rationale Argumente und Emotionen manipulierbar seien und vom bekannten Fleischproduzenten Clemens Tönnies ließ sich ein Großteil des Publikums beruhigen, dass irreführende idyllenhafte Werbebilder auf industriellen Produkten aus Marketinggründen durchaus in Ordnung seien, solange man sich nebenher auch bemühe zu zeigen, »wie es wirklich läuft.«

Fazit: Zukunft diskutieren geht anders

Eine ausgewogene Diskussion unterschiedlicher Zukunftsansätze im Agrar- und Ernährungsbereich kam beim Zukunftsdialog nicht zustande, sodass weder die zahlreichen gegenwärtigen Tierschutz- und Umweltprobleme ausreichend zur Sprache kamen noch aktuelle tier- und umweltfreundliche Trends erkannt wurden. Dies ist sicherlich in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass die Auswahl sowohl der Partner und Förderer der Veranstaltung als auch der meisten der eingeladenen Sprecher von vornherein ziemlich einseitig erfolgte, was bezüglich einer öffentlich angesetzten und medial gestützten Veranstaltung stark kritisiert werden kann.

Für weitere Dialoge, die ernsthaft die Zukunft in den Blick bekommen und daran arbeiten wollen, muss es daher in jedem Fall gelten, noch mehr Vertreter aus NGOs und alternativen (agrar-) wirtschaftlichen Unternehmen einzuladen – dies nicht zuletzt, um insbesondere dem bundesministeriell verbreiteten Eindruck entgegenzuwirken, es gäbe nur eine zukunftsbestimmende Wahrheit.

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